Trankreich. 295
wie nach den früheren Regierungswechseln von 1816, 1830 und 1848, den
Versuch, allmählich und unvermerkt dem heiligen Stuhle eine absolute Un-
abhängigkeit in der Wahl der Bischöfe zu sichern. In dieser Absicht ging
die Curie in der Einsetzungsbulle, statt die von der französischen Regierung
ausgegangene Ernennung, wie sie zur Zeit Napoleon's III. that, in schmeichel-
haften Ausdrücken zu erwähnen, über diese Ernennung mit Schweigen hinweg
und bekräftigte hingegen die ausschließlichen Rechte und die Allgewalt des
Papstes. Statt ferner den ernannten Bischöfen in feierlicher Form nach
Einberufung des Cardinalcollegiums verfaßte Bullen sub plumbo auszustellen,
wie dieß für die Ernennung von Bischöfen einer großen katholischen Macht
ständiger Gebrauch der Kirche ist, schickte die päpstliche Canzlei denselben
nur ein Breve, wie es sonst nur den Bischöfen untergeordneter Mächte oder
solchen, deren Geburt keine legitime ist, ausgestellt zu werden pflegt. Der
französischen Regierung ging dieß nahe; sie nahm das Breve (das erste und
einzige, welches seit dem Concordat nicht vom Staatsrath verificirt worden
war) nur unter dem Vorbehalt der späteren Ausfolgung von Bullen sub
plumbo entgegen und gestattete die Veröffentlichung nur unter den ausdrück-
lichsten Vorbehalten wegen der Nichterwähnung der staatlichen Ernennung.
Nichtsdestoweniger beschloß die römische Curie, einen Schritt weiter auf der
von ihr eingeschlagenen Bahn zu thun. Dem Bischof von Montauban, Abbé
Legain, stellte sie wiederum nur ein Breve aus und veränderte dabei die
durch den Gebrauch geheiligten Formeln dahin, daß das Ernennungsrecht
der französischen Regierung in ein bloßes Präsentationsrecht umge-
wandelt wurde. Die provisorische Staatsrathskommission machte sogleich auf
diese Mißachtung der Artikel 4 und 5 des Concordats aufmerksam, welche
ausdrücklich besagen, daß die Ernennungen für die erledigten Bisthümer durch
den ersten Consul erfolgen sollen und daß nur die canonische Einsetzung dem
apostolischen Stuhle zusteht. Der Nationalversammlung lag damals gerade
eine Interpellation zu Gunsten der weltlichen Herrschaft des heiligen Vaters
vor; Herr Thiers benufte diese Gelegenheit, um das unantastbare Recht der
Regierung von der Tribüne herab zu bekräftigen. Die römische Curie kam
in Folge dessen zwar zu den durch hundertjährigen Gebrauch bestätigten
Formen zurück, beharrte aber doch auf ihren ersten Ansprüchen, und die
Bullen für die Bischöfe von Rodez, Quimper und Limoges kamen nach Ver-
sailles wieder mit denselben Formeln, gegen welche die französische Regierung
Einsprache erhoben hatte. Unter diesen Umständen weigerte sich die Staats-
rathscommission, die päpstlichen Bullen einzutragen, so lange man vom hei-
ligen Stuhle keine Erklärungen erhalten hatte, und die Weihe der Bischöfe
wurde vertagt. Da begriff ger Cardinal Antonelli, daß er zu weit gegangen
war, und erklärte in einem unter dem 7. Januar 1872 an den französischen
Botschafter gerichteten Briefe, daß das Wort: praesentare nur aus Unauf-
merksamkeit statt des Wortes: nominare gebraucht worden war, und daß
dieser Irrthum sich in Zukunft nicht wiederholen werde. Die Regierung
glaubte damit den Proceß gewonnen zu haben, und unter Berufung auf die
Erklärungen des Cardinal Staatssecretärs wurden die Bullen zugelassen und
veröffentlicht. Aber die Regierung hatte, wie sie bald gewahr werden sollte,
ohne die Finten der päpstlichen Curie gerehae. Als Herr Guibert zum
Erzbischof von Paris ernannt worden war, sandte ihm die römische Kanzlei
eine Bulle sub plumbo, in deren Text allerdings das Wort nominare wieder
an Stelle des Wortes praesentare getreten, dem ersteren Worte aber das
Wort: nobis vorangestellt worden war, welches dem Satze wieder einen ganz
andern Sinn gab. Angesichts des Unglücks, welches damals über die orieer
Kirche hereingebrochen war, glaubte die Regierung, hierüber hinwegle en zu
sollen, und beauftragte nur den französischen Botschafter in Rom, die Frage
bei Gelegenheit der Ernennung der neuen Bischöfe von St. Denis, Constan-
tine und Ajaccio, welche dieselben Bullen erhalten hatten, wie Monseigneur