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Trankreich.
verschwundene Staatsform halten wir es für offenbar, daß die Lage Frank-
reichs gegenwärtig keine andere Regierung zuläßt als die Republik. Diese
ist jetzt die natürliche und nothwendige Regierung. Jeder Tag bringt uns
eine allgemeine Kundgebung der öffentlichen Meinung, welche, des unent-
schiedenen Zustandes und der widersprechenden Verheißungen der Parteien
müde, diesem freien Wettrennen, welches nur die Illusionen der Parteien
erhöht, ein Ziel gesetzt und die einzige Regierung, die ihr möglich scheint,
auch angenommen, zu sehen wünscht. Glauben Sie nur, m. HH., wenn erst
in diesem Betracht die Ungewißheit gehoben ist, wird auch die Autorität
bald wieder in ihre Rechte treten, alle Grade der Verwaltung wird die
nöthige Unterordnung durchdringen, die Bande der gesellschaftlichen Zucht
werden sich enger schließen, und die Fractionen werden ihre gefährlichste Waffe
verlieren, wenn es ihnen nicht mehr möglich sein wird, Mißtrauen unter die
Gewalten wie unter die Bürger zu säen und Hintergedanken in den frei-
müthigsten Erklärungen und Entschließungen zu suchen. Wer der Regierung
zumuthet, sich für eine provisorische zu erklären, der sieht nicht, daß er die
Autorität schwächt, die er im Gegentheile stark wissen will. Man verdunkelt
selbst die Sprache der Gesetze, welche eine Regierung nicht schützen können,
die sie nicht einmal bei ihrem Namen zu nennen wagt. Dem Beamten wird
die Kenntniß seiner Flichten erschwert. Eine Zweideutigkeit wird auf alle
Stellungen und auf die Regierung selbst gelegt; Zweideutigkeit in der Re-
gierung ist aber eine Aufmunterung für alle revolutionären Hoffnungen.
So konnte inmitten der allgemeinen sue sogar die Ordnung bedroht schei-
nen, wie entschieden sie auch aufrecht erhalten wurde. Man darf sich nur
wundern, wie eine so grrrglche und so rasch handelnde Nation mit Ruhe
das in der Geschichte beispiellose Experiment einer Gesellschaft bestehen konnte,
welche von schweren Leiden genas und sich selbst die Regierung, die sie sich
gegeben hat, nicht einzugestehen wagt. Man wird also der Regierung und der
Ordnung eine ihnen nothwendige Bürgschaft geben, wenn man entschlossen zu
der Organisirung der Republik schreitet. Sollten dann Parteien die Ge-
sellschaft zu bedrohen wagen, so wird unsere energische Abwehr nicht mehr
dem Verdacht ausgesetzt sein, irgend einer Reaction zu dienen, wenn wir mit
fliegenden Fahnen zur Vertheidigung der conservativen Republik ausziehen.“
Diese Organisirung, heißt es dann weiter, sei der Zweck der vorliegenden Entwürfe.
Gesetzesentwurf betr. die Organisirung der öffentlichen Ge-
walten und die Einrichtung einer zweiten Kammer: Nach demselben
soll die Regierung aus einem Senat, einer Repräsentantenkammer und
einem Präsidenten der Republik bestehen. Für die Schöpfung eines Ober-
hauses werden die bekannten der Erfahrung sowie der Staatsphilosophie ent-
lehnten Gründe beigebracht. Dieser Senat soll ebenfalls aus Wahlen her-
vorgehen, jedoch minder zahlreich sein, als die Volkskammer: wenn diese 500
Mitglieder, so würde er etwa 250 zählen. Diese soll dem jüngeren, er dem
reiferen Alter zugänglich sein; die Wählbarkeit für den Senat wird daher
an ein Alter von wenigstens 35 Jahren geknüpft. Er soll aus dem allge-
meinen Stimmrecht und zwar trotz mancherlei Gründen, welche für indirecte
Wahlen sprechen konnten, doch im Interesse einer Stärkung seines Ursprungs
aus directen Wahlen hervorgehen. Die Unterschiede zwischen dem Senat
und dem Volkshause sollen anderwärts liegen. Erstlich, wie gesagt, darin,
daß für die Wählbarkeit ein um zehn Jahre höheres Alter erfordert wird.
Dann soll der Senator nicht sowohl eine gewisse Bevölkerungsquote, wie der
Abgeordnete, sondern die historische Einheit des Departements repräsentiren,
und zwar soll jedes Departement mittelst Listensrrutiniums drei Senatoren
wählen, das ganze Oberhaus mithin, wenn man Belfort, Algier und die
Colonien mit einrechnet, aus 265 Mitglieder bestehen. Die Dauer des Se-
nats wird auf je zehn Jahre bemessen, so zwar, daß alle zwei Jahre ein
Fünftel erneuert wird. Seine gesetzgebenden Befugnisse sollen dieselben sein,