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Trankreich.
Philosoph darf in aller Muße untersuchen, ob diese oder jene Regierungs-
sorm die bessere ist. Wenn man aber am RNuder steht, verhält, sich die Sache
anders. Das Provisorium ist gefährlich, indem es die Arena für alle Par-
teien frei läßt; Gewaltthätigkeiten der einen haben Gewaltthätigkeiten der
anderen zur Folge. Wir suchten die Zukunft so lange als möglich offen zu
halten; wenn wir aber im rechten Augenblick Ihnen sagen, daß es nun mit
dem Provisorium nicht mehr gehe, so ist das doch noch lange kein Verrath.
Ein alter Anhänger der Monarchie, kann ich jetzt kein Hehl daraus machen,
daß die Monarchie bei uns unmöglich ist. Sie selbst gestehen dieß indirect
ein, indem Sie sagen, daß Sie nicht für die monarchische, sondern für die
conservative Sache kämpfen. Es gibt nur einen Thron und drei haben auf
demselben nicht Platz. (Unruhe rechts.) Wenn die gegenwärtige Regierung
beständig verkannt und beschimpft wird, so liegt das an dem Provisoriuns
Ich bedauere, daß ich mich von zwei Ministern trennen mußte; aber es war
nun einmal ein einheitliches, homogenes Ministerium nothwendig und darum
wählte ich Männer, die in der Hauptsache meine Ideen theilten. Mit den
constitutionellen Gesetzen bieten wir Ihnen die Hand; das werden Sie erst
bei aufmerksamerer Durchlesung derselben erkennen. Unabweislich war es
allerdings geboten, ihnen eine definitive Bestimmung der Regierungsform
voranzuschicken. Das allgemeine Stimmrecht kann, nicht mehr umgestürzt
werden. Ich habe es seiner Zeit mit allem Eifer bekämpft; jetzt ist seine
Lerschaft unumstößlich; wohl aber kann man es reinigen und moralisiren.
as Zweikammer-System ist unbedingt geboten. Die Geschichte kennt kein
Beispiel, daß die Geschicke eines Landes dauernd einer einzigen Versammlung
anvertraut gewesen wären. Man muß auch die Conflicte zwischen der Volks-
vertretung und der-#executiven Gewalt voraussehen, Conflicte, von denen wir
hier ja mehr als ein Beispiel haben. Die Bestimmungen des Dreißiger-
Gesetzes haben alle Instincte meines natürlichen Verstandes beleidigt, und
doch habe ich mich ihnen aus Versöhnung und um des lieben Friedens willen
unterworfen. Leider sehe ich, daß dieses Entgegenkommen vergeblich war.
Auf der Rechten will man unsere Vorlagen nicht zulassen, weil sie von etwas
anderem als der Monarchie handeln; auf der Linken verwirft man sie, weil.
man diesem Haus alle souveränen Rechte abspricht und vorgibt, daß nur
die künftige Nationalversammlung die Republik constituiren könne. Wir
glauben im Gegentheil, daß wir, indem wir Ihnen diese Entwürfe zur Grün-
dung der conservativen Republik vorlegen, recht eigentlich als Conservative
handeln. Die letzten Wahlen sind lange nicht so beunruhigend, als man
glauben machen wollte. Partielle Wahlen fallen beinahe immer der conser-
vativen Partei ungünstig aus; in den allgemeinen Wahlen werden die ge-
mäßigteren Anschauungen schon durchdringen. Die conservativen Candidaten
unterlagen, weil man ihnen immer monarchische Hintergedanken zutraute.
Wenn erst die Republik außer Frage sein wird, dann werden die Wahlen
nicht mehr einen extremen Character haben. In dieser Absicht legten wir
Ihnen unsere Gesetzentwürfe vor. Wenn auch sie sich unmächtig erweisen
sollten, dann wäre freilich nur für die Dictatur Platz, und wohin diese
führt, das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Mit ihr fiel Frankreich
im Jahre 1815 wenigstens noch ruhmvoll. Aber wie fiel es im Jahre
1870! Die Dictatur der Großen richtet uns mit Ruhm zu Grunde, die
Dictatur der Kleinen richtet uns schlechtweg zu Grunde. (Anhaltender Beifall
links.) Die materielle Ordnung ist bei uns eine vollständige; sie ist hun-
dertmal größer als bei unseren Siegern, manche deutsche Stadt war in der
letzteren Zeit der Schauplatz von Unruhen, die bei uns unmöglich wären.
Gestern sagte man der Regierung harte Dinge und dieß in einem mitleidigen
Ton, der uns wirklich nahe gehen mußte. Ein Redner prophezeite mir ein
schlechtes Ende; er sagte, daß ich der Lächerlichkeit verfallen werde und daß
ich der Schutzbefohlene des Radicalismus sei. Ich danke ihm für diese freund-