Trankreich. 315
schaftlichen Winke und will sie ihm vergelten. Auch er ist ein Schutzbe-
fohlener, aber er erfreut sich einer Gönnerschaft, welche der edle Herzog
v. Broglie, sein Vater, mit Abscheu zurückgewiesen hätte, er erfreut sich der
Gönnerschaft des Kaiserreichs! (Donnernder Beifall links, Zeichen des Miß-
fallens rechts.)
Die Rechte formulirt ein entschiedenes Tadelsvotum und dieses wird
mit 360 gegen 344 Stimmen angenommen. Thiers gibt seine Ent-
lassung und Marschall Mac Mahon wird mit 390 Stimmen gegen 1
(die Uebrigen enthalten sich) zum Präsidenten der Republik gewählt.
Derselbe nimmt die Wahl durch Zuschrift an die National-Versamm-
lung an.
Ernoul (äußerste Rechte) legt folgende Tagesordnung ein: „Die Natio-
nalversammlung, in Erwägung, daß die Regierungsform nicht in Erörterung,
ist, und daß es daran liegt, das Land durch Geltendmachung einer entschieden
conservativen Politik zu beruhigen, bedauert, daß die letzten Minister-Ver-
änderungen den conservativen Interessen nicht die Genugthuung gewährt
haben, die zu erwarten sie ein Recht hatten.“ Dufaure erklärt, daß er nur
eine einfache Tagesordnung annehme. Letzttere wird mit 362 gegen 348
Stimmen abgelehnt und die Tagesordnung Ernoul mit 360 gegen 344 Stim-
men angenommen. Baragnon: das Interesse des Landes erheische, daß die
Regierung ihren Entschluß kundgebe. Er verlangt daher eine Abendsitzung, damit
die Regierung inzwischen mit sich zu Rathe gehen und dann der Kammer
ihre Mittheilungen machen könne. Die Sitzung wird auf 8 Uhr anberaumt.
— Abendsitzung. Dufaure theilt mit, daß nach der Nachmittagssitung die
Minister Hrn. Thiers ihre Entlassung überreicht hätten. Thiers habe dieselben
angenommen und ihm folgende Botschaft überreicht: „Herr Präsident! Ich
habe die Ehre, der Nationalversammlung mein Entlassungsgesuch als Prä-
sident der Republik zu überreichen. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß die
Regierung alle ihre Pflichten erfüllen wird, bis sie in regelmäßiger Weise
ersetzt sein wird. Gez. Thiers, Mitglied der National-Versammlung." Buffet
liest folgende Erklärung: „Angesichts des Entlassungsgesuches des Herrn
Thiers als Präsidenten der Republik schlagen die Unterzeichneten der Ver-
sammlung vor, sofort zur namentlichen Abstimmung zu schreiten, um seinen
Nachfolger zu ernennen.“ Unterzeichnet: Changarnier, Broglie, Delille, Beulé,
Ernoul, Baragnon, Kerdrel. George verlangt, daß die Kammer entscheide,
ob sie das Entlassungsgesuch annehme, welches das Land keineswegs annehme.
(Beifall auf der Linken.) Goubert erinnert an die Bestimmung, daß man
nie über ein Entlassungsgesuch hinaus etwas beschließen könne, ehe dasselbe
angenommen sei. Buffet verliest einen von vielen Mitgliedern der Linken
unterstützten Antrag, die National-Versammlung möge den Rücktritt des Prä-
sidenten Thiers nicht zulassen; derfelbe wird jedoch bei der Abstimmung mit
368 gegen 339 Stimmen abgewiesen. Nachdem die Aufregung sich etwas
gelegt hat, schreitet die Versammlung zur Wahl und Mac Mahon wird zum
Präsidenten der Republik ernannt mit 390 Stimmen gegen Grévy, der 1 Stimme
erhielt; der Rest enthält sich der Abstimmung. Buffet und das Bureau der
Versammlung begeben sich zu Mac Mahon, um ihn von der Abstimmung
zu benachrichtigen. Um 11¾ Uhr Abends verkündigte Buffet der National-
versammlung, daß der Marschall Mac Mahon nicht ohne Mühe bewogen
worden sei, die Präsidentschaft anzunehmen. Die gegenwärtigen Minister
bleiben bis auf weitere Bestimmung im Amte. Der Präsident der Versamm-
lung erhält gegen Ende der Sitzung folgenden Brief von Mac Mahon: „An
die Herren Volksvertreter! Ich gehorche gern dem Willen der Versammlung,
welche die Souveränetät des Volkes vertritt, indem ich das Amt des Präsi-
denten der Republik annehme. Es wird meinem Patriotismus dadurch eine