Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Trankreich. 
Welt wie in der Ewigkeit. Amen. Im Namen des Vaters, des Sohres und 
des heiligen Geistes. Amen!“ Der Bischof von Autun erwidert nur 
einige Worte. Er sagt: „Ich danke Ihnen nicht, meine Herren, ich beglück- 
wünsche Sie nicht. Sie bedürfen keiner Danksagungen und keiner Beglück- 
wünschungen. Aber ich nehme Act im Namen der Kirche." Die Worte des 
Bischofs erregen großen Jubel; dann wirft sich Alles auf die Kniee und 
betet. Nach beendeter Ceremonie werden die Deputirten der Gegenstand einer 
allgemeinen Ovation. Sie werden von den Pilgern mit Hochs und den 
Rufen: Es lebe Pius IX. 1 Es lebe die katholische National-Versammlung! 
Es lebe Frankreich! begrüßt. Chesnelong antwortet den Pilgern: „Nehmt 
das Versprechen entgegen, daß wir die Verpflichtungen, die wir übernommen, 
halten werden." Um 2 Uhr ist große Procession, bei der sich auch die De- 
putirten betheiligen. Ungefähr 80 bis 100 Banner: „Paris“", „Barcelona“, 
„Courtrai“, „Lüttich", „Mons“, „Straßburg", „Metz“, „Macon“", „Tours“, 
„Toulouse“ u. s. w. sind vertreten. Die Pilger lngen das „Sauvez Rome 
et la France.“ Hinter dem Zuge gehen der Erzbischof von Tours und der 
Bischof von Autun, welche das Volk segnen. An dem Altare, der am Ende 
einer Allee aufgestellt war, ergreift der Abbé Besson, Canonicus von Besancon, 
das Wort, um die Predigt zu halten. Er schildert die Lage Frankreichs und 
verbreitet sich über die Nothwendigkeit, zu den katholischen Grundsätzen zurück- 
zukehren und von einer Civilisation sich abzuwenden, die nichts als glänzende 
Barbarei sei. Mit Begeisterung spricht er über den heiligen Vater. „Die 
Zuaven“, so ruft er, „haben ihre Fahne an diesem beiligen Orte niedergelegt. 
Lassen wir sie einen Augenblick lang ruhen, und wenn die Stunde geschlagen 
hat, so marschiren wir Alle, die Zuaven in der Avantgarde, um den Papst 
auf den Thron des heiligen Petrus wieder einzusetzen.“ Die Begeisterung, 
welche seine Worte erregen, ist unbeschreiblich. Von allen Seiten ertönt der 
Ruf: „Es lebe der Papst! Es lebe die katholische Nationalversammlung!“ 
  
30. Juni. Der Unterrichtsminister Beulé genehmigt einen von Bischof 
Dupanloup zum Schulgesetz beantragten Zusatz, wonach männliche und 
weibliche Congregations= und sonstige geistliche Schulen, sobald sie die 
canonische Installation oder die bischöfliche Genehmigung erhalten haben, 
keiner Regierungsaufsicht unterstehen und den Behörden, solange sie 
keines gemeinen Vergehens oder Verbrechens schuldig sind, unzugäng- 
lich bleiben. 
„ Die Demonstrations-Wallfahrten, die während des ganzen Monats 
zahlreich nach einer Reihe von Wallfahrtsorten stattgefunden, haben 
hie und da auch zu Excessen gegen Andersdenkende und hinwiederum von 
solchen zu Antidemonstrationen Anlaß gegeben. 
2. Juli. Nat.-Versammlung: Dufaure beantragt, die Thiers'schen Ver- 
fassungsgesetze an die Büreaux zu weisen. Laurent meint dagegen, 
das Land bekümmere sich nicht um Politik, es wolle arbeiten und die 
Berathung jener Gesetze würde es nur in seiner Ruhe stören, weßhalb 
er darauf anträgt, sie erst nach den Ferien in Angriff zu nehmen. 
Die Mehrheit ist damit einverstanden, in der Meinung, die ganze 
Frage dannzumal wo möglich noch weiter auf die lange Bank hinaus- 
zuschieben. 
„ Deie deutschen Truppen beginnen die Näumung der von ihnen bisher 
noch occupirten östlichen Departements.