Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Trankreich. 
seigneur der Graf von Chambord dafür, daß'es nur mehr Einen König und 
Ein Prinzip im Hause Bourbon gebe, und ist erstaunt, daß eine parlamen- 
tarische Gruppe, die sich eine royalistische nennt, eine Verlängerung der Ge- 
walten des Präsidenten der Republik für zehn Jahre fordert. Sehr erkennt- 
lich für die vom Marschall Mac Mahon Frankreich geleisteten Dienste, hat 
Monseigneur der Graf von Chambord denen, welche ihn darum baten, schrift- 
liche Beweise seines hohen Wohlwollens an die Adresse des „Bayard der 
Neuzeit“ übergeben, welche als kostbare Documente in den Archiven der 
Familie des Herzogs von Magenta aufbewahrt werden. Er ist von der 
Uneigennützigkeit und der Loyalität des erlauchten Marschalls überzeugt; aber 
er begreift nicht, wie man für ihn eine zehnjährige Dictatur verlangen kann, 
welche nur die Consecration der Republik wäre, oder die, dem Willen des 
Marschalls selber entgegen, die Möglichkeit irgend einer Usurpation schaffen 
könnte.“" Dieses merkwürdige Document und zumal die Schlußsätze desselben 
sind offenbar gegen die Orleans und ihre Anhänger, das rechte Centrum, 
gerichtet, dessen Forderungen seine Berufung auf den Thron zum Scheitern 
gebracht haben. Der Graf empfängt während seines Aufenthalts in Paris 
viele seiner kua von den Prinzen von Orleans macht ihm dagegen 
keiner seine Aufwartung. 
Die Organe der verschiedenen Parteien sind sofort uneinig über 
das dem Marschall Mac Mahon übertragene Septennat. Die Blätter 
des rechten Centrums sehen darin eine für 7 Jahre unantastbare 
Gewalt, nach deren Ablauf erst die Frage: ob Republik oder Monarchie 
wieder aufgenommen und entschieden werden könne. Die Clericalen 
und Legitimisten dagegen sind nicht gemeint, ihre Agitation für Zurück- 
berufung Heinrichs V. für eine so lange Zeit zu vertagen und be- 
haupten, was die Nat.-Versammlung gegeben habe, könne sie auch 
jeden Augenblick wieder nehmen. Die Republikaner trösten sich damit, 
daß in dem Beschluß Mac Mahon doch als Präsident „der Republik“" 
bezeichnet sei und daß also diese noch nicht verloren sei. 
  
20. Nov. Eröffnung der Session der Synode der reformirten Kirche von 
27. 
Frankreich in Paris. Die Spaltung zwischen der orthodoxen Mehr- 
heit und der freigesinnten Minderheit ist seit dem letzten Jahre eine 
definitive geworden: von 108 Mitgliedern der Synode sind nur 62 
(bloß 8 mehr als die Hälfte) erschienen. Diese bestätigen ihrerseits 
die Erklärung vom 20. Juni 1872, kraft deren künftig Pfarrer ihr 
geistliches Amt nur unter der Bedingung ausüben dürfen, daß sie sich 
der orthodoxen Glaubenserklärung unterwerfen. 
„ Nach längeren Verhandlungen kommt endlich das neue Ministerium, 
dessen Leitung dem Herzog v. Broglie verbleibt, zu Stande: die Legi- 
timisten sind von der neuen Combination keineswegs sehr befriedigt. 
Vier Minister, die sich durch ihren royalistischen Eifer besonders stark 
compromittirt haben: Beulé, Batbie, Ernoul, ein ausgesprochener Anhänger 
des Syllabus, und de la Bouillerie, ein Bruder des fanatischen Bischofs von 
Puy (Auvergne), sind durch vier, für die Chambordisten wenig hoffnungs- 
volle Persönlichkeiten ersetzt worden und zwar durch den Herzog von Decazes, 
einen Führer der zu einer Annäherung an das linke Centrum hinneigenden 
Orleanistenpartei, durch Fourtou, ein Mitglied des rechten Centrums, der 
aber am 24. Mai als Mitglied des Thier'schen Cabinets gestürzt wurde, 
Depeyre, einen Legitimisten, der jedoch für das Lilienbanner nur mäßig
	        
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