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Trankreich.
seigneur der Graf von Chambord dafür, daß'es nur mehr Einen König und
Ein Prinzip im Hause Bourbon gebe, und ist erstaunt, daß eine parlamen-
tarische Gruppe, die sich eine royalistische nennt, eine Verlängerung der Ge-
walten des Präsidenten der Republik für zehn Jahre fordert. Sehr erkennt-
lich für die vom Marschall Mac Mahon Frankreich geleisteten Dienste, hat
Monseigneur der Graf von Chambord denen, welche ihn darum baten, schrift-
liche Beweise seines hohen Wohlwollens an die Adresse des „Bayard der
Neuzeit“ übergeben, welche als kostbare Documente in den Archiven der
Familie des Herzogs von Magenta aufbewahrt werden. Er ist von der
Uneigennützigkeit und der Loyalität des erlauchten Marschalls überzeugt; aber
er begreift nicht, wie man für ihn eine zehnjährige Dictatur verlangen kann,
welche nur die Consecration der Republik wäre, oder die, dem Willen des
Marschalls selber entgegen, die Möglichkeit irgend einer Usurpation schaffen
könnte.“" Dieses merkwürdige Document und zumal die Schlußsätze desselben
sind offenbar gegen die Orleans und ihre Anhänger, das rechte Centrum,
gerichtet, dessen Forderungen seine Berufung auf den Thron zum Scheitern
gebracht haben. Der Graf empfängt während seines Aufenthalts in Paris
viele seiner kua von den Prinzen von Orleans macht ihm dagegen
keiner seine Aufwartung.
Die Organe der verschiedenen Parteien sind sofort uneinig über
das dem Marschall Mac Mahon übertragene Septennat. Die Blätter
des rechten Centrums sehen darin eine für 7 Jahre unantastbare
Gewalt, nach deren Ablauf erst die Frage: ob Republik oder Monarchie
wieder aufgenommen und entschieden werden könne. Die Clericalen
und Legitimisten dagegen sind nicht gemeint, ihre Agitation für Zurück-
berufung Heinrichs V. für eine so lange Zeit zu vertagen und be-
haupten, was die Nat.-Versammlung gegeben habe, könne sie auch
jeden Augenblick wieder nehmen. Die Republikaner trösten sich damit,
daß in dem Beschluß Mac Mahon doch als Präsident „der Republik“"
bezeichnet sei und daß also diese noch nicht verloren sei.
20. Nov. Eröffnung der Session der Synode der reformirten Kirche von
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Frankreich in Paris. Die Spaltung zwischen der orthodoxen Mehr-
heit und der freigesinnten Minderheit ist seit dem letzten Jahre eine
definitive geworden: von 108 Mitgliedern der Synode sind nur 62
(bloß 8 mehr als die Hälfte) erschienen. Diese bestätigen ihrerseits
die Erklärung vom 20. Juni 1872, kraft deren künftig Pfarrer ihr
geistliches Amt nur unter der Bedingung ausüben dürfen, daß sie sich
der orthodoxen Glaubenserklärung unterwerfen.
„ Nach längeren Verhandlungen kommt endlich das neue Ministerium,
dessen Leitung dem Herzog v. Broglie verbleibt, zu Stande: die Legi-
timisten sind von der neuen Combination keineswegs sehr befriedigt.
Vier Minister, die sich durch ihren royalistischen Eifer besonders stark
compromittirt haben: Beulé, Batbie, Ernoul, ein ausgesprochener Anhänger
des Syllabus, und de la Bouillerie, ein Bruder des fanatischen Bischofs von
Puy (Auvergne), sind durch vier, für die Chambordisten wenig hoffnungs-
volle Persönlichkeiten ersetzt worden und zwar durch den Herzog von Decazes,
einen Führer der zu einer Annäherung an das linke Centrum hinneigenden
Orleanistenpartei, durch Fourtou, ein Mitglied des rechten Centrums, der
aber am 24. Mai als Mitglied des Thier'schen Cabinets gestürzt wurde,
Depeyre, einen Legitimisten, der jedoch für das Lilienbanner nur mäßig