Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

368 Stalien. 
Zwei andere Dörfer in der Lombardei folgen dem Beispiele etwas 
später nach. 
— Oct. In einer ganzen Reihe von größeren und kleineren italienischen 
Städten sind franzosenfeindliche Demonstrationen an der Tagesord- 
nung. 
16. „ Spannung zwischen der italienischen Regierung und derjenigen 
Frankreichs. Da das letztere den Gesandtschaftsposten beim König 
von Italien schon seit längerer Zeit absichtlich unbesetzt läßt, so er- 
hält auch der italienische Gesandte in Paris, Cav. Nigra, auf unbe- 
stimmte Zeit Urlaub. 
Die Regierung veröffentlicht den abgeänderten Staatsvoranschlag für 
1874, wonach das Deficit 110 Millionen Fr. beträgt, sämmtliche 
Armeeausgaben inbegriffen. Nach Vorrechnung der Aktiv= und Passiv- 
reste erscheint das Deficit um 41 Millionen gemindert. Die Stellung 
des Ministeriums verbessert sich. 
18. „ Ein zum Protestantismus übertretener Canonicus, Namens Grassi, 
folgt unerschrocken der an ihn deshalb erlassenen Vorladung vor das 
päpstliche Tribunal der Inquisition. Der Vorsitzende desselben, Card. 
Panebianco, begnügt sich, den Abtrünnigen mit einer Strafpredigt zu 
entlassen: die Zeit der Scheiterhaufen ist vorbei. 
20. „ Die Jesuitenklöster werden zwar unter Protest, aber ohne Wider- 
stand geräumt. Die Liquidationscommission geht mit großer Energie 
vor, die Curie fügt sich. Dem Cardinal Patrizi wird amtlich an- 
gezeigt, daß das Generalatshaus der Jesuiten mit diesem Tage auf- 
gehört habe, als Residenz des Ordens betrachtet zu werden. Der Papst 
bietet dem Jesuitengeneral, P. Beckr, eine Wohnung im Vatican an. 
Derselbe lehnt das Anerbieten jedoch ab und zieht es vor, nach Bel- 
gien überzusiedeln. " 
„ Ein kgl. Decret schließt die Session des Parlaments und setzt den 
Beginn der neuen Session auf den 15. November an. 
21. „ Die Kloster-Liquidationscommission ergreift Besitz von 6 weiteren 
Klöstern. Die Mönche protestiren, empfangen ihre Pensionscertificate 
und räumen darauf die Klöster ohne Widerstand. Die Bevölkerung 
verhält sich ziemlich gleichgiltig. 
Der Sindaco von Nom zeigt der Bevölkerung an, daß 29 von 
ihm namhaft gemachte Mönchs= und Nonnenklöster im Einverständniß 
zwischen den Stadtbehörden und der Regierung nach und nach zu 
städtischen Bureaux und zu Unterrichtsanstalten ausersehen seien; 34 
bisher von Geistlichen geleitete öffentliche Schulen sollen weltliche Lehrer 
und Lehrerinnen erhalten. 
28. „ Die Regierung publicirt das neue, von beiden Kammern geneh- 
migte Armeegesetz. Die italienische Armee zählt demgemäß in Zukunft 
auf dem Friedensfuß 214,000 Mann.
	        
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