Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Nov. Die Kloster-Liquidationscommission geht ziemlich rasch vor: wie- 
derum werden 4 Klöster geräumt und wird die Räumung weiterer 
vorbereitet. 
„ Die Enthüllung des Denkmals für Cavour in Turin, zu der sich 
der König selbst dahin verfügt, gestaltet sich zu einem wahren groß- 
artigen Nationalfeste. 
„ Der Cardinal Patrizi erklärt die Kirche des hl. Andreas im Qui- 
rinal zur kgl. Pfarrkirche. Die Curie beginnt wenigstens in einzelnen, 
wenn auch vorerst allerdings nur sehr vereinzelten Fällen Concessionen 
zu machen und Rücksichten walten zu lassen. Zunächst machen sich die 
Blätter jedoch noch vergebliche Hoffnung, daß sie bereits an einen 
modus vivendi überhaupt denke. 
Eröffnung des Parlaments. Thronrede des Königs: 
„M. HH.! Als Ich die letztvergangene parlamentarische Session eröffnete, 
empfahl Ich Ihnen, alle Ihre Aufmerksamkeit auf die Ordnung der inneren 
Staatsangelegenheiten zu richten. Die Aufgabe war ebenso ernst wie schwer. 
Aber Ihr Patriotismus und die Fortschritte, welche Sie bereits gemacht ha- 
ben, sind Mir ein sicheres Unterpfand Ihrer Ausdauer. Nur diese kann uns 
zum Ziele führen, welches vom ganzen italienischen Volke heiß ersehnt wird. 
Die Thätigkeit, welche sich in allen Theilen des Königreichs regt, beweist, 
daß Italien nur der Einheit und Freiheit bedurfte, um alle Kräfte zu ent- 
wickeln, mit denen es so reich ausgestattet ist. Ich habe volles Vertrauen 
daß diese Thätigkeit immer mehr wachsen wird, und Meine Regierung wird 
es sich angelegen sein lassen, durch Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung, 
dieser der Arbeit und dem Fortschritte ganz unentbehrlichen Elemente, jene 
Thätigkeit kräftig zu unterstützen. Italien hat gezeigt, daß Rom die Haupt- 
stadt des Königreichs werden konnte, ohne die Freiheit des Papstes in der 
Ausübung seines päpstlichen Amtes zu beeinträchtigen und in seine Bezie- 
hungen zur katholischen Welt störend einzugreifen. Fest entschlossen, die Re- 
ligionsfreiheit und die religiösen Gefühle und Empfindungen zu respectiren, 
werden Wir aber nicht gestatten, daß unter dem Deckmantel dieser heiligen 
Rechte die Gesetze und Einrichtungen des Staats angegriffen werden. (Sehr 
lebhafte Beifallsbezeugungen.) Ich freue Mich, Ihnen bencher zu können, 
daß Wir zu allen auswärtigen Mächten in freundschaftlichen Beziehungen 
stehen. Diese guten Beziehungen haben durch den Besuch, welchen Ich letzt- 
hin dem Kaiser von Oesterreich-Ungarn und dem Deutschen Kaiser gemacht 
habe, eine feierliche Bestätigung erhalten. (aesa begengungen Die Be- 
weise herklicher Zuneigung, welche Ich bei dieser Gelegenheit sowohl von 
Seiten der Souveräne als ihrer Völker erhalten habe, galten dem wieder- 
erstandenen Italien, weil es verstanden hat, sich den Platz zu verschaffen, 
welcher ihm unter den civilisirten Völkern gebührt. Oesterreich und Italien 
haben sich früher auf Schlachtfeldern feindlich gegenübergestanden. Nachdem 
aber die Ursache des langen Streites ans dem Wege geräumt worden ist, 
haben Wir das Vertrauen, daß gemeinschastluste Interessen und Vortheile 
eine dauerhafte Freundschaft zur Folge haben werden. Diese Freundschaft 
ist Mir um so erwünschter, weil sie mit Familienempfindungen zusammen- 
trifft, welche höhere und gebieterische Pflichten zwar beherrschen, aber nicht 
in Meinem Herzen vertilgen konnten. (Sehr lebhafter Beifall.) Deutschland 
und Italien baben sich beide im Namen der nationalen Idee constituirt, und 
beide verstanden es, ihre liberalen Instikutionen auf der Grundlage einer 
Monarchie aufzubauen, welche Jahrhunderte lang Freude und Leid mit der 
Nation getragen hat. Das gegenseitige Verhältniß der beiden Regierungen 
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