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Die päpstliche Curie.
die Staatsgesetze ohne Rückhalt anzuerkennen, beharren, und das Versprechen,
sie zu beobachten, fordern müssen. Wie der im Staats-Anzeiger abgedruckte
Eid, den Bischof Reinkens geleistet hat, zeigt, hat man die Form bereits ge-
funden. Nom vindicirt sich das Recht, jedes Staatsgesetz, das seinem System
widerspricht, zu verwerfen. Unter solchen Umständen wird es voraussichtlich
bei eintretenden Erledigungen von Bischofsstühlen nicht so bald zur Neu-
besetzung kommen. Insofern stehen aber die Sachen für Rom minder günstig,
als die Entschlossenheit insbesondere der preußischen Regierung, dem Staats-
gesetze volle praktische Geltung zu verschaffen, nicht zu bezweifeln ist. Mit Grund
darf Nom also erwarten, daß die Regierung sich das Hinwegsetzen über das Recht
des Königs, nicht genehme Candidaten zu verwerfen, fortan nicht mehr ge-
fallen lassen werde. Kommt es dann zu keiner Wahl, so dürfte die volle Tem-
poraliensperre mit Sicherheit zu erwarten sein. Für die Curie wird dieß allein
keinen Grund zum Einlenken abgeben, so lange die Peterspfennige reichlich
fließen. Aber damit ist auf die Dauer nicht geholfen; es muß über kurz oder lang
ein Kaiscoo bestellt werden Daher die Bulle. — Als Motiv wird geltend ge-
macht, daß verschiedene Meinungen über die Auslegung des Trienter Decrets
bestehen und in den Capiteln ein verschiedener Usfus herrsche. Dieß Motiv
ist indeß falsch, indem gerade über die in der Bulle hervorgehobenen Punkte
seit längerer Zeit weder eine Verschiedenheit der Ansichten, wie man aus den
gangbarsten Lehr= und Handbüchern des Kirchenrechts ersehen kann, herrscht,
noch auch die behauptete Praxis der Capitel besteht. Nicht durch das ange-
gebene Motiv ist also das Gesetz hervorgerufen, sondern durch ganz andere.
Das geltende Recht gibt einer Person, welche die im canonischen Rechte ge-
forderten Eigenschaften besitzt und in einer diesem Rechte entsprechenden Form
gewählt ist, das unbedingte Recht auf das Bisthum. Die gesetlichen Eigen-
schaften eines Bischofs sind genau bekannt und aus jedem Lehrbuche des
Kirchenrechts zu entnehmen; ein Gleiches gilt von den Erfordernissen des
Wahlacts. Für Preußen (Baden, *57 kommt zu den „canonischen“ Ei-
genschaften der Umstand hinzu, daß der Gewählte eine dem Landesherrn
„nicht minder genehme" Person sei. Ist also ein mit den „canonischen“
Eigenschaften Versehener formell giltig gewählt und dem König „nicht min-
der genehm“, so muß ihn der Papst bestätigen. Das Wiener Concordat von
1648 S. Item in Ecclesiis Metropolitanis gab neuerdings dem Papste das
Bestätiguugsrecht und die Befugniß, eine Person zu verwerfen, „wenn er
aus einem vernünftigen und augenscheinlichen Grunde und mit dem Rathe
der Brüder (Cardinäle) eine würdigere und nützlichere Person glaubte an-
stellen zu können“. Dieses Recht, welches für die nicht mehr existirenden
Reichsbisthümer galt und gegen die fortgefallenen Reichsstifter wirkte, ist
außer Geltung getreten. Die vereinbarten Bullen für Preußen (Hannover)
und die oberrheinische Kirchenprovinz kennen nur die canonischen Eigenschaf-
ten, die gültige Wahl und die päpstliche Bestätigung des Gewählten. Ein
also Gewählter kann nach dem canonischen Rechte auch vor der päpstlichen
Bestätigung außerhalb Italiens, mit Ausschluß der Veräußerung von Kirchen-
gut, die bischöfliche Jurisdiction üben (cap, 44. x. de electione I. 6. aus
Can. 26. des 4. Concils vom Lateran von 1215). Jene Bestimmung bezog
sich nach dem Wortlaute auf die dem Papste „unmittelbar unterworfenen“
Bischöfe; für andere redet das Gesetz gar nicht von der päpstlichen, sondern
von der Bestätigung „dessen, dem die Bestätigung gebührt". Man ist nun
in Rom klug genug, zu denken, es könne dahin kommen, daß ein Capitel,
um dem traurigen Zustande ein Ende zu machen, der aus Conflicten entsteht,
sich veranlaßt finde, trotz eines römischen Verbotes eine nach dem Rechte gül-
tige Wahl vorzunehmen; ein auf solche Art Gewählter, den Rom mit Unrecht
verworfen, könnte Besitz ergreifen und von der Regierung anerkannt werden.
Um dem vorzubeugen, hat Pius IX. das angeführte Decret er-
lassen. Er holt eine Bulle von Bonifaz VIII. hervor (Injunctae in c. 1.