Die päpstliche Curie. 377
de elect. in Extr. comm. I. 3), welche sich auch nur auf diejenigen Bischöfe,
Aebte, Prioren u. f. w. bezieht, „die beim päpstlichen Stuhle befördert wer-
den“, d. h. deren Ernennung vom Papste ausgeht, und welche für diese
vorschreibt, sie dürften vor Empfang des päpstlichen Bestätigungsbriefes keine
Jurisdiction üben. Diese Bulle dehnt er jetzt allgemein aus, hebt alle ent-
gegenstehenden Rechte der „Kaiser, Könige, Herzöge, Präsidenten u. s. w.“
auf, droht den Gewählten, den Capiteln u. s. w. Strafen an, deren Auf-
hebung sämmtlich dem Papste vorbehalten wird, und erklärt schließlich alles,
was solche Bischöfe thun würden, für „absolut nichtig, ungültig, wirkungs-
los, kraftlos“ u. s. w. Zugleich ordnet er an, daß bis zur erfolgten Aus-
händigung der päpstlichen Bestätigungsurkunde nur ein Capitelsvicar regieren
könne; gehe dieser durch Tod, Verzicht, oder aus anderem Grunde ab, so sei
ein neuer zu bestellen, „niemals aber der vom Capitel zum Bischof Erwählte
oder von der Laiengewalt Ernannte oder Präsentirte“ zum Diöcesanverwalter
zu bestellen; werde dieser gewählt und deputirt, so sei diese Wahl nichtig.
Bisher stand nichts entgegen, den Capitelsvicar zum Bischof zu wählen.
Geschähe das jetzt, so müßte dieser als Vicar verzichten, wie der Wortlaut
zu folgern gebietet.
Es ist nicht weiter nothwendig, auseinanderzusetzen, daß durch dieses
Decret zweierlei beabsichtigt wird: erstens die Verwaltung von Diöcesen durch
Administratoren zu einer stehenden Einrichtung zu machen, zweitens die Be-
setzungen der Bisthümer unbedingt vom Papste, und von ihm allein ab-
hängig zu machen. Er kann willkürlich verwerfen; so lange er nicht den
Bestätigungsbrief gibt, darf der Gewählte nicht fungiren. Das Recht der
Capitel, der mit dem Ernennungsrechte versehenen Landesherren: Kaiser von
Oesterreich, König von Bayern u. s. w. ist völlig illusorisch gemacht. Und
noch mehr. Nach dem geltenden Rechte darf ein Capitelsvicar im ersten
Jahre keine Erlaubniß geben, sich weihen zu lassen, die Diöcese nicht vin-
ciren und keine Synode halten; er darf nie ein Amt, das der bischöflichen
freien Verleihung untersteht, besetzen, und hat eine Reihe anderer Befugnisse
nicht. Pius IX. aber gibt ihm „die ganze ordentliche bischöfliche Juris-
diction zur freien und gültigen Ausübung."“
Werden sich die Regierungen gefallen lassen, daß die Curie nach ihrem
Bedürfniß Gesetze gebe, welche in ihrer Tragweite den bestehenden Rechts-
zustand umwerfen? Es ist zu erwarten, daß man daran festhalten werde,
Recht der Kirche sei das, welches anerkannt ist, nicht was in einem beliebigen
Momente die Curie für Recht erklärt. Will Rom durch solche Mittel die
Verträge umstoßen und den Rechtszustand aufheben, so antworte man mit
Gesetzen, welche der Kirche ihre Freiheit lassen, aber von dem Clerus fordern,
daß er sich dem Gesetze unterwerfe. Der Clerus hat die Wahl, mit Außer-
achtlassung seiner wahren Aufgabe sich zum Werkzeuge curialer Willkür hin-
zugeben, oder treu seiner Pflicht gegen Gott und das Vaterland in dem Be-
wußtsein zu handeln, daß Christus nicht gekommen ist, um die Empörung
gegen die Staatsgesetze dem Clerus aufzutragen, sondern daß er seine Apostel
gesandt hat, das Evangelium zu lehren.
Man denke ja nicht, es handle sich um gleichgültige Dinge. Das Deeret
vom 28. August kommt in seiner Absicht und seinen möglichen Wirkungen
den exorbitantesten gleich, welche erlassen worden sind. "
Das Neuoe, das die Bulle in die bisherige kirchliche Ordnung einführt,
liegt darin, daß der Capitelsvicar fortan ohne Einschränkung die bischöfliche
Jurisdiction haben soll. Man ist in Rom schlau genug, den Zweck nicht
augenfällig zu machen. Ein Grund zur Erlassung dieser Constitution lag
nicht vor. Aber man hat in Rom die Fälle der eintretenden Vacanzen und
der Amtsentlassung von preußischen Bischöfen ins Auge gefaßt. Für diese
soll eine Norm gegeben werden, indem man die Form einer allgemeinen Con-
stitution wählt, wie das Rom öfter gethan hat. Wenn ein der Regierung