Die päpstliche Curie. 381
und Bildung des Clerus so vollständig der Laiengewalt unterworfen- daß es
dieser zusteht, zu untersuchen und zu entscheiden, in welcher Weise die Cleriker
für das priesterliche und seelsorgerische Leben unterrichtet und gebildet werden
sollen. Sie geht aber noch weiter und verleiht der nämlichen Gewalt das
Recht, über die Verleihung der kirchlichen Aemter und Beneficien zu erkennen
und zu urtheilen und sogar die Seelsorger dieser Aemter und Beneficien zu
berauben. Um aber noch vollständiger und schneller die kirchliche Regierung
und die Ordnung der hierarchischen Unterordnung einzureißen, die von unserem
Herrn Jesus Christus selbst errichtet ist, stellen diese Gesetze mehrfache Hinder-
nisse dagegen auf, daß die Bischöfe mit canonischen Censuren und Strafen,
je nach Umständen, für das Heil der Seele oder die Reinheit des Unterrichts
in den katholischen Schulen, oder für den ihnen von den Geistlichen geschul-
deten Gehorsam sorgen. In Wahrheit ist es kraft dieser Gesetze den Bischöfen
nicht erlaubt, anders diese ihre Pflicht zu erfüllen, als nach dem Gutdünken
der bürgerlichen Gewalt und in Gemäßheit der von eben derselben aufge-
stellten Regeln. Damit endlich gar nichts an dieser vollständigen Bedrängung
der katholischen Kirche fehle, ist ein königlicher Gerichtshof für kirchliche
Dinge eingerichtet worden, vor welchen die ehrwürdigen Bischöfe und Priester
eben so gut durch ihre Untergebenen wie durch die öffentlichen Magistrate
gebracht werden können, so daß sie gleich Angeklagten das Gericht über sich
ergehen lassen müssen, und daß sie in die Lage kommen können, Zwang zu
erleiden in der Ausübung ihres geistlichen Amtes. So kommt es, daß die
allerheiligste Kirche Christi, der durch feierliche und wiederholte Versprechen
und durch regelrechte Verträge die souveränen Fürsten die nothwendige und
vollständige Freiheit der Religion garantirt hatten, heute in jenen Orten
weint, wo sie aller ihrer Rechte beraubt und den Angriffen von Feinden
ausgesetzt ist, die sie mit einem entscheidenden Untergange bedrohen. Denn
die neuen Gesetze beabsichtigen, ihr die Möglichkeit der Existenz zu entziehen.
Es ist also nicht zu verwundern, daß in diesem Reiche die frühere religiöse
Ruhe durch derartige Gesetze eben so wie durch die übrigen Handlungen und
Pläne der preußischen Regierung gegen die Kirche schwer gestört ist. Aber
Niemand wird die Schuld hieran auf die Katholiken des deutschen Reiches
wälzen können. Denn wenn man es den Katholiken als ein Verbrechen an-
rechnen will, wenn sie sich nicht bei diesen Gesetzen beruhigen, die sie sich
nicht mit ruhigem Gewissen gefallen lassen können, so muß man aus dem
nämlichen Grunde und auf dieselbe Art die Apostel Jesu Christi und die
Märtyrer anklagen, die lieber die schlimmsten Marter und selbst den Tod
erduldeten, als daß sie ihre Michten verrathen und die Gesetze ihrer heiligen
Religion durch Gehorsam gegen die gottlosen Befehle der die Christen ver-
folgenden Fürsten verletzt hätten. Gewiß, ehrwürdige Brüder, wenn es keine
anderen Gesetze gebe, als diejenigen der bürgerlichen Gewalt und wenn diese
Gesetze einer höheren Ordnung angehörten, so daß man sie anerkennen muß
und es untersagt wäre, sie zu verletzen, wenn folgerichtig eben diese bürger-
lichen ee die höchste Regel des Gewissens bildeten nach der abgeschmackten
und gottlosen Lehre einiger Leute, so wären die ersten Märtyrer und die-
jenigen, welche sie nachgeahmt haben, eher werth, getadelt als geehrt und
gelobt zu werden, dafür, daß sie ihr Blut vergossen haben für den Glauben
Christi und die Freiheit der Kirche. Ja, noch mehr: es wäre gar nicht ge-
stattet gewesen, gegen die Gesetze und den Fürsten zum Trotz die christliche
Religion zu verbreiten und auszudehnen und mit Einem Worte, die Kirche
zu gründen. Und dennoch lehrt der Glaube und sagt die menschliche Ver-
nunft, daß eine doppelte Ordnung der Dinge besteht, und daß man zwei
Gewalten auf Erden unterscheiden muß, eine natürliche, beauftragt, über die
Ruhe der menschlichen Gesellschaft und über die weltlichen Angelegenheiten
u wachen, und eine zweite, deren Ursprung über den Staaten steht, die an
* Spitze des Reiches Gottes, nämlich der Kirche Jesu Christi steht und die