Schweiz. 413
15. Nov. Der Bundesrath weist den Recurs der ultramontanen Jurassier
25.
gegen die Maßnahmen der Behörden des Kantons Bern betr. die
Absetzung kath. Geistlicher und die neue Organisation des kath. Kirchen-
dienstes in jenem Theile des Kantons Bern ab, doch nicht ohne eine
Art Vorhalt, der sich in folgenden Erwägungen ausspricht:
in Erwägung: daß nach der Bundesverfassung vom 12. September
1848 Alles, was auf die Einrichtung des Kirchenwesens sich bezieht, unbe-
dingt Sache der Kantone ist; daß die Eidgenossenschaft jedoch gegen Anord-
nungen der Kantonalbehörden einschreiten kann, welche den durch die Bundes-
verfassung gewährleisteten Rechten zuwider sind; daß der Art. 44 der Bun-
desverfassung die freie Ausübung des Gottesdienstes den anerkannten christlichen
Confessionen im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet; daß
durch diese Bestimmung der Verfassung bezweckt werde, jedem zu einer der
christlichen Confessionen sich bekennenden Einwohner des Landes das Recht
zu sichern, nach seinem Ermessen seinen religiösen Bedürfnissen zu genügen;
daß diese Gewährleistung ihre Beachtung findet, so lange die Bürger nicht
gezwungen werden, einem Gottesdienste beizuwohnen, und so lange sie frei
sind, Gottesdienst nach ihrem Belieben zu halten; daß die Regierung von
Bern den Rercurrenten ausdrücklich das Recht zuerkennt, Gottesdienst nach
ihrer Wahl zu feiern, und daß sie in ihrem Schreiben vom 8. November
1873 erklärt, „daß die abgesetzten Pfarrer in keiner Weise gehindert werden
sollen, nach ihrer Weise Privatgottesdienst abzuhalten, sofern dabei die
öffentliche Ruhe und Ordnung nicht gestört wird;“ daß somit die Freiheit
des christlichen Gottesdienstes innerhalb der Schranken der Gewährleistung
der bestehenden Bundesverfassung in der Person der Recurrenten nicht verletzt
ist und die Verordnung vom 6. October 1873 der im Art. 44 der Verfassung
gegebenen Gewährleistung nicht zuwider geht; daß der Bundesrath jederzeit
wird beschließen können, wenn weitere Beschwerden über Thatsachen einlangen
sollten, die der Art wären, daß im bernischen Jura die freie Ausübung eines
Gottesdienstes im Widerspruche mit dem angeführten Art. 44 gehindert er-
schiene; daß die bernischen Behörden über das von einem Theile der Recur-
renten gestellte Begehren, ihren besondern Gottesdienst in einer Kirche abhalten
zu dürfen, noch nicht entschieden haben; daß der Bundesbehörde ein Recht,
sich über diesen Punkt auszusprechen, erst dann zustehen würde, wenn be-
hauptet und nachgewiesen wäre, daß die Eigenthümer der Kirchen in ihrer
Verfügung über ihr Eigenthum, so weit dasselbe neben dem öffentlichen
Gottesdienst und den durch die Staatsbehörden gefaßten Beschlüssen noch
besteht, andern Einschränkungen als denjenigen der allgemeinen Landesgesetze
unterworfen werden; in Erwägung endlich, daß die Bestimmungen der
Vereinigungsurkunde des bernischen Jura mit dem alten Kanton Bern vom
14.—23. November 1815, welche von einem Theil der Recurrenten angerufen
wird, unter der Herrschaft der Bundesverfassung vom 12. September 1848
kein besonderes Recht zu Gunsten der Bewohner und der katholischen Geist-
lichkeit des bernischen Jura schaffen noch eine Ausnahme vom öffentlichen
Rechte der Eidgenossenschaft begründen können; beschließt: Das vorläufige
Suspensionsbegehren und die Recurfe sind abgewiesen.
„ Fortgang der kath. Reformbewegung: die kath. Gemeinden von
Bern, Biel (Kanton Bern), Rheinfelden (Aargau) 2c. 2c. verwerfen
die Unfehlbarkeit und den Syllabus und constituiren sich demgemäß.
„ (Baselstadt.) Gr.-Rath: ertheilt einem von der Regierung nicht
ohne Mühe zu Stande gebrachten Compromiß über die Beseitigung
der Bekenntnißpflicht bei Taufe und Confirmation seine Zustimmung,