Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 37
Gebiete angehören, noch lediglich die Entziehung eines innerhalb der Kirche
oder Religionsgesellschaft wirksamen Rechts oder die Ausschließung aus den
letzteren betre ffen.
§ 2. Kein Religionsdiener ist befugt, gesetzlich zulässige Straf= und
Zuchtmittel zu verhängen oder zu verkünden wegen Vornahme einer Hand-
lung, zu welcher die Staatsgesetze oder die von der Obrigkeit innerhalb ihrer
Zuständigkeit erlassenen Anordnungen verpflichten, ebensowenig, um dadurch
zur Unterlassung solcher Handlungen zu bestimmen.
§ 3. Kein Religionsdiener ist befugt, gesetzlich zulässige Straf= oder
Zuchtmittel zu verhängen oder zu verkünden, weil öffentliche Wahl= oder
Stimmrechte in einer bestimmten Art ausgeübt, oder weil sie nicht ausgeübt
worden sind, oder um dadurch eine bestimmte Art der Ausübung oder Nicht-
ausübung herbeizuführen.
§ 4. Kein Religionsdiener ist befugt, gesetzlich zulässige Straf= oder
Zuchtmittel unter Bezeichnung der davon betroffenen Person öffentlich bekannt
zu machen.
II. Entwurf eines Gesetzes über die Vorbildung und An-
stellung der Geistlichen.
I. Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Ein geistliches Amt darf in einer der christlichen Kirchen nur
einem Deutschen übertragen werden, welcher seine wissenschaftliche Vorbildung
nach den Vorschriften dieses Gesetzes dargethan hat, und gegen dessen An-
stellung kein Einspruch von der Staatsregierung erhoben worden ist.
§ 2. Die Vorschriften des § 1 kommen zur Anwendung, gleichviel ob
das Amt dauernd oder widerruflich übertragen werden oder nur eine Stell-
vertretung oder Hilfsleistung in demselben statthaben soll. Ist Gefahr im
Verzuge, so kann eine Stellvertretung oder Hilfsleistung einstweilen und vor-
behaltlich des Einspruchs der Staatsregierung angeordnet werden.
§ 3. Die Vorschriften des § 1 kommen auch zur Anwendung, wenn
einem bereits im Amte (§ 2) stehenden Geistlichen ein anderes geistliches
Amt übertragen oder eine widerrufliche Anstellung in eine dauernde ver-
wandelt werden soll.
II. Vorbildung zum geistlichen Amte.
§ 4. Zur Bekleidung eines geistlichen Amtes ist die Ablegung der
Entlassungsprüfung auf einem deutschen Gymnasium, die Zurücklegung eines
dreijährigen theologischen Studiums auf einer deutschen Staatsuniversität,
sowie die Ablegung einer wissenschaftlichen Staatsprüfung erforderlich.
§ 5. Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist ermächtigt, mit
Rücksicht auf ein vorangegangenes anderes Universitätsstudium, als das der
Theologie, oder mit Rücksicht auf ein an einer außerdeutschen Staatsuniver=
sität zurückgelegtes Studium von dem vorgeschriebenen dreijährigen Studium
an einer deutschen Staatsuniversität einen angemessenen Zeitraum zu erlassen.
§ 6. Das theologische Studium kann in den bei Verkündung dieses
Gesetzes in Preußen bestehenden, zur wissenschaftlichen Vorbildung der Theo-
logen bestimmten kirchlichen Seminarien zurückgelegt werden, wenn der Mi-
nister der geistlichen Angelegenheiten anerkennt, daß dieses Studium das Uni-
versitätsstudium zu ersetzen geeignet sei.
Diese Vorschrift findet jedoch nur auf die Seminare an denjenigen Orten
Anwendung, an welchen sich keine theologische Facultät befindet, und gilt
nur für diejenigen Studirenden, welche dem Sprengel angehören, für den
das Seminar errichtet ist.
Die im ersten Absatz erwähnte Anerkennung darf nicht verweigert werden,
wenn die Einrichtung der Anstalt den Bestimmungen dieses Gesetzes entspricht
und der Minister der geistlichen Angelegenheiten den Lehrplan derselben ge-
nehmigt.