Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Schweden und Norwegen. 431 
und immer einstimmiger wird das Zeugniß der Geschichte, wie berechtigt er 
dazu war. Recht und Wahrheit zu kräftigen war die auf unsere Grund- 
gesetze gestützte Regierungsaufgabe des Sohnes, und die Gtere des erstgebornen 
Enkels liegt darin, das Land mit Geseten aufgerichtet zu haben. Während seiner 
dreizehnjährigen friedevollen und glücklichen Regierungszeit von der Liebe 
seiner Völker umfaßt, ist Karl XV. von ihrer tiefen Trauer in sein neulich 
geschlossenes Grab begleitet worden. Mit der Trauer des Landes über den 
frühzeitigen Hintritt eines leutseligen Königs vereinigt sich auch die meinige 
über den Verlust des hochgeliebten Bruders, von welchem ich als Erbtheil 
den uralten Thron Schwedens erhalten habe, und da ich nun zum ersten- 
mal als König Sie, gute Herren und schwedische Männer, begrüße, geschieht 
dieß in der Hoffnung, daß Sie auf mich die Ergebenheit übertragen werden, 
welche mein Vorfahr besessen hat, und daß Sie mir das Vertrauen widmen 
werden, welches die sicherste Stütze des Thrones ist. Die erste Begegnung 
des Königs und der gesetzlichen Bevollmächtigten des Volkes ist bedeutungs- 
voll. Sie leitet den Gedanken auf den wirklichen Grund einer Staatsver- 
fassung, welche, durch Alter gewurzelt und Jahrhunderte hindurch fortge- 
pflanzt, noch heute die Stärke und das (Glück unseres Landes bildet. Schwe- 
dens König und Volk, beide im Bewußtsein nicht nur ihrer durch das Gesetz 
bestimmten Rechte, sondern auch ihrer Verantwortlichkeit, sollen mit gegen- 
seitiger Achtung und Liebe einander schützen und beistehen. Auf solche Weise 
wird das allgemeine Wohl gefördert und mit Gottes Hülfe das Land unserer 
Väter geehrt und frei den Nachkommen als Erbtheil hinterlassen werden. 
Die Vereinsacte zwischen Schweden und Norwegen hat ein Band geknüpft, 
welches die Zeit schon befestigt hat. Vermehrte Verbindungen und ein ver- 
traulicherer Umgang der Völker werden die Bemühungen des beiden gemein- 
schuftlichen Königs erleichtern, diese Vereinigung zu stärken und zu entwickeln, 
welche eine Bürgschaft ist für die Selbständigkeit und das Glück der Brüder- 
reiche. Von Monarchen und Staatsoberhäuptern in fremden Ländern habe 
ich Versicherungen erhalten sowohl ihrer Theilnahme an unserm großen Ver- 
lust als auch ihrer Freundschaft gegen mich und die Vereinigten Reiche. 
Die so glücklich bestehenden guten Verhältnisse zu allen fremden Mächten 
beizubehalten und zu entwickeln wird der Gegenstand meiner unablässigen 
Bestrebungen sein. Je einiger wir mit uns selbst sind, um so stärker und 
geehrter wird auch unsere äußere politische Stellung werden. Durch die 
neulich beendigte scandinavische Kunst= und Industrie-Ausstellung zu Kopen- 
hagen ist das innige Verhältniß, welches zwischen uns und unserm Nachbar- 
reiche Dänemark besteht, noch deutlicher an den Tag gelegt worden. Von 
dem Vorschlag zu einem gemeinsamen seoandinavischen Münzsystem, welches 
Ihnen nach mehrfältigen Vorbereitungen jetzt vorgelegt werden wird, hoffe 
ich, daß er zu einer noch größern Annäherung zwischen Stammverwandten, 
welche so viele Interessen gemeinsam haben, Anlaß geben wird. Die wich- 
tige Angelegenheit, auf eine unsere Selbständigkeit sichernde Weise unser 
Vertheidigungswerk zu ordnen, ist der Gegenstand meiner ernstlichsten Sorge. 
Ein Vorschlag zu veränderten Bestimmungen der Organisation wird jetzt 
ausgearbeitet. Bei jeder Organisationsform ist inzwischen ein vollständiger 
und wohlgeordneter Generalstab nothwendig. Zur Bildung eines solchen 
wird Ihnen der Vorschlag mitgetheilt und in gewissen Stücken Ihnen zur 
Prüfung vorgelegt werden. Zur Organisation des Militärpersonals der 
eevertheidigung ist ein Vorschlag, gebaut auf den Grundsatz, daß die Ver- 
theidigung unserer Küsten die Aufgabe der Seewaffe bildet, ausgearbeitet. 
Die der Industrie günstigen Umstände der itten Jahre und der reichliche 
Vorrath von Capitalien, welcher daraus geflossen ist, fordert auf zur Arbeit 
an der ferneren Entwicklung der Hülfsquellen unseres Landes. Während 
fertige oder im Bau begriffene Eisenbahnen die südlichen Theile des Landes 
in mehreren Richtungen durchkreuzen, fehlen diese Communicationsmittel in 
  
  
  
 
	        
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