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Rußland. 441
vergeblich sei, gegen Rußland anzukämpfen, fand sich der Chan in das Un—
vermeidliche und ergriff seinen Vortheil sofort in einer Weise, die ihm nur
den größten Nutzen brachte. Er unterstützte die Truppen durch warme Klei-
der, lieferte russenfeindliche Personen und Verbrecher an Rußland aus, ge-
stattete Durchzüge von Truppen durch sein Land und schickte mehrmals Ge-
sandtschaften an General Kauffmann. Dieß brachte dem Chan die Zutheilung
eines chiwesischen Gebiets beim Friedensschluß ein. Nach dem Frieden kehrte
dann ein Theil der beim Feldzug betheiligt gewesenen Personen, namentlich
mehrere Gelehrte, über Bochara nach Turkestan zurück. Diese freundschaft-
liche Annäherung Rußlands und Bocharas hat nunmehr zu dem neuen
Handels= und Freundschaftsvertrag geführt. Im Art. 1 wird bestimmt, daß
die Gränzen zwischen Rußland und Bochara dieselben bleiben wie bisher.
Dagegen soll letzteres aus dem von Rußland annectirten, am rechten Amu-
Ufer belegenen Theile Chiwa's einen Landstrich, im Süden angränzend an
Bochara, erhalten, und zwar bis zu einer Linie, welche von Mekeschli zum
Vereinigungspunkte der früheren bocharisch-chiwesischen Gränze mit der russi-
schen Gränze zu ziehen ist. Art. 2. Dieser Landstrich ist zum Waarentrans-
port und zur Karawanenstraße von Bochara nach Rußland und umgekehrt
bestimmt. Art. 3 ordnet die freie Schifffahrt, Privat= und Regierungs-
Schifffahrt mit Dampfern und anderen Fahrzeugen auf dem Amu, soweit
er durch bocharisches Gebiet fließt, an. Art. 4 enthält das Recht der An-
legung von Landungs= und Stapelplätzen am rechten Amu-Ufer unter bochari-
schem Schutze. Die russische Regierung bezeichnet die Orte, wo sie solche
Plätze wünscht. Art. 5. Handelsfreiheit für Personen und Karawanen aus
Rußland in allen Städten und Dörfern des Chanats. Art. 6. Die Import-
und Exportsteuer nach und aus Bochara beträgt ¼0 = 2½ Procent des
Werthes der Waaren. Art. 7. Der Transit ist abgabenfrei. Art. 8. Gegen-
seitiges Recht der Anlegung von Karawan-Ssarais (Ssarai heißt auf russisch
Scheuer, Schuppen, Niederlage) in allen beliebigen Ortschaften. Art. 9.
Gegenseitiges Recht der Einsetzung von Handelsagenten. Art. 10. Die Han-
delsabschlüsse und kaufmännischen Verträge sind unverletzlich. Art. 11. Gegen-
seitige Handwerks= und Gewerbefreiheit. Art. 12. Gegenseitiges Recht der
Erwerbung von Immobilienbesitz bei Zahlung der landesüblichen Immobi-
liensteuer. Art. 13. Paßzwang der russischen Unterthanen und Recht der
letzteren mit ihren Pässen das ganze Chanat zu durchreisen. Art. 14. Aus-
schluß des Asylrechtes für alle Nationalitäten, sofern die Immigranten nicht
russische Erlaubnißscheine führen. Auslieferungspflicht flüchtiger russischer
Verbrecher von Seiten Bochara's. Art. 15. Die Verpflichtung des Chans,
einen Gesandten in Taschkent zu beglaubigen und ein Gesandtschaftsgebäude
daselbst zu erwerben und zu unterhalten. Art. 16. Ein gleiches Recht Ruß-
lands in Bochara. Art. 17. Aufhebung der Sclaverei im ganzen Chanat
und die Verpflichtung der bocharischen Beks, etwaige in den Gränzorten an-
gekaufte Selaven sofort in Freiheit zu setzen. Art. 18 enthält die Abschluß-
erklärungen des in russischer und in türkischer Sprache abgefaßten Vertrags.
Wie hieraus ersichtlich, ist der Vertrag durchweg auf Gegenseitigkeit gegründet;
nur ist der Unterschied zwischen Artikel 15 und 16 nicht zu übersehen, wo-
nach der Chan verpflichtet ist, stets einen Geschäftsträger in Taschkent zu
unterhalten, ohne daß Rußland einen solchen in Bochara zu beglaubigen
braucht. Der Unterschied ist bedeutend. Er zeigt die überlegene Stellung
Rußlands einem halben Vasallen gegenüber.
Oct. Der Kaiser hat den Friedenstractat mit Chiwa ratifizirt. Dem-
gemäß verläßt auch das turkestanische Detachement unter Führung des
Generals Kauffmann, als das letzte der Detachements, welche noch
zurückgeblieben waren, das Chanat. Um indessen den Chan nicht