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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
III. Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Austritt aus der
Kirche.
§ 1. Wer mit bürgerlicher Wirkung aus der Kirche, welcher er bisher
angehörte, austreten will, hat dies in Person vor dem Richter seines Wohn-
orts zu erklären. Dieselbe Form ist von denjenigen zu beobachten, welche
bei ihrem Uebertritt zu einer andern Kirche von den Lasten ihres bisherigen
Verbandes befreit werden wollen. § 2. Die Austritts-Erklärung befreit
von den auf dem Parochial-Verbande beruhenden persönlichen Verpflichtungen
zu Abgaben und Leistungen an die bisherige Kirchengemeinde oder an deren
Diener und Beamte.
IV. Entwurf eines Gesetzes über die kirchliche Disciplinar=
gewalt und die Errichtung des Königlichen Gerichtshofs für
kirchliche Angelegenheiten.
I. Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Die kirchliche Disciplinargewalt darf nur von deutschen kirchlichen
Behörden ausgeübt werden.
§ 2. Kirchliche Disciplinarstrafen, welche gegen die Freiheit oder das Ver-
mögen gerichtet sind, dürfen nur nach Anhörung des Beschuldigten verhängt
werden.
Der Entfernung aus dem Amt (Entlassung, Versetzung, Suspension,
unfreiwillige Emeritirung u. s. w.) muß ein geordnetes processualisches Ver-
fahren vorausgehen.
In allen diesen Fällen ist die Entscheidung schriftlich unter Angabe der
Gründe zu erlassen.
§ 3. Die körperliche Züchtigung ist als kirchliche Disciplinarstrafe un-
zulässig.
§ 4. Geldstrafen dürfen den Betrag von 30 Thlrn., oder wenn das
einmonatliche Amtseinkommen höher ist, den Betrag des letzteren nicht über-
steigen.
§ 5. Die Strafe der Freiheitsentziehung darf nur in der Verweisung
in eine Demeritenanstalt bestehen.
Die Verweisung darf die Dauer von drei Monaten nicht übersteigen und
nicht wider den Willen des Betroffenen vollstreckt werden. Die Verweisung
in eine außerordentliche Demeritenanstalt ist unzulässig.
§ 6. Die Demeritenanstalten sind der staatlichen Aufsicht unterworfen.
Ihre Hausordnung ist dem Oberpräsidenten der Provinz zur Genehmigung
einzureichen. Er ist befugt Visitationen der Demeritenanstalten anzuordnen
und von ihren Einrichtungen Kenntniß zu nehmen.
Von der Aufnahme eines Demeriten hat der Vorsteher der Anstalt unter
Angabe der Behörde, welche sie verfügt, binnen 24 Stunden dem Ober-
präsidenten Anzeige zu machen. Ueber sämmtliche Demeriten ist von dem
Vorsteher ein Verzeichniß zu führen, welches den Namen derselben, die gegen
sie erkannten Strafen und die Zeit der Aufnahme und Entlassung enthält.
Am Schluß jedes Jahres ist das Verzeichniß dem Oberpräsidenten einzureichen.
§ 7. Von jeder kirchlichen Disciplinarentscheidung, welche auf eine Geld-
strafe von mehr als 20 Thalern, auf Verweisung in eine Demeritenanstalt
für mehr als 14 Tage, oder auf Entfernung aus dem Amte lautet, ist dem
Oberpräsidenten, gleichzeitig mit der Zustellung an den Betroffenen, Mit-
theilung zu machen.
Die Mittheilung muß die Entscheidungsgründe enthalten.
§ 8. Der Oberpräsident ist befugt, die Befolgung der in den §§ 6 und
7 enthaltenen Vorschriften und der auf Grund derselben von ihm erlassenen
Verfügungen durch Ordnungsstrafen bis zum Betrage von 1000 Thalern zu
erzwingen. Die Androhung und Festsetzung der Strafe darf wiederholt
werden, bis dem Gesetz genügt ist.
§ 9. Eine Mitwirkung des Staats bei Vollstreckung kirchlicher Dis-