Nebersicht der Greignisse des Jahres 1873. 467
Frankreich bedingt. Frankreich sieht seine furchtbare Niederlage gegen und
Deutschland-Preußen und den Verlust von Elsaß-Lothringen keineswegs ich-r
als eine definitive Entscheidung an und hat auf keinen einzigen seiner
früheren Ansprüche verzichtet. Die Idee der Revanche, der Wieder-
eroberung von Elsaß-Lothringen und der Wiederherstellung seines ver-
lorenen Prestige durchdringt alle Kreise der franz. Nation und wenn
Einzelne sich von ihr fern halten, so ist es doch anerkannter Maßen
nur eine geradezu verschwindende Minorität. Die Reorganisation der
Armee war denn auch eine der ersten Aufgaben, welche sich die auf
den Trümmern des bonapartistischen Regiments aufgerichtete proviso-
rische Regierung neben der Wiederherstellung der tief erschütterten
Finanzen gestellt hatte, und es ist nicht zu leugnen, daß ihr jenes wie
dieses in einem nicht gering anzuschlagenden Grade gelungen ist. Die
Armee ist trotz der knapperen Finanzen nicht vermindert, sondern gegen-
über dem Bestande unter dem zweiten Kaiserthum sehr ansehnlich ver-
mehrt worden, und die Nationalversammlung, sonst fast über alles und
jedes uneinig, hat sich jederzeit einmüthig erwiesen, jede für diesen
Zweck erforderliche Summe mit nicht sparsamer Hand zu bewilligen.
Dennoch wird es nach dem Urtheil aller competenten Fachmänner noch
eine Reihe von Jahren anstehen, bevor die Armee so organisirt und
mit allem nothwendigen Kriegsmaterial so ausgerüstet sein wird, daß
Frankreich es nöthigenfalls wagen könnte, selbst allein und ohne Bun-
desgenossen es neuerdings mit Deutschland aufzunehmen. Vorerft
denken aber die maßgebenden Politiker Frankreichs daran nicht, sondern
wünschen nur so bald wie möglich in der Lage zu sein, einem all-
fälligen Alliirten die Hand reichen und mit ihm vereint an Deutsch-
land Rache nehmen zu können. Zur Zeit ist freilich ein solcher Alliirter
und eine solche Gelegenheit für Frankreich noch nicht in Aussicht und
es ist denn auch eine der ersten, wo nicht die erste und maßgebende
Aufgabe der deutschen Diplomatie, Frankreich in seiner gegenwärtigen
Vereinzelung fest zu halten. Und eben das ist ihr bis jetzt in einem
bescheidene Wünsche und Hoffnungen entschieden übersteigenden Grade
gelungen.
Wohl nicht am mindesten hierin ist der Grund zu suchen, warum enn
sich Frankreich zu einem großen Theile seiner Bevölkerung den Be- der Ul-
strebungen der päpstlichen Curie und der politisch-ultramontanen Parteitramon-
tanis-
in die Arme geworfen hat. Beim vorläufigen Mangel jeder Aussicht mus.
30“