42
Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
§ 18. Die Entscheidung erfolgt auf Grund mündlicher Verhandlungen
in öffentlicher Sitzung.
Die Oeffentlichkeit kann durch Beschluß des Gerichtshofes ausgeschlossen
oder auf bestimmte Personen beschränkt werden.
§ 19. Zu den Verhandlungen (§§ 17 und 18) sind der Berufende und
die kirchliche Behörde zuzuziehen. Dieselben können sich durch einen Advo-
caten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Im Fall ihres Ausbleibens wird
nach der Lage der Verhandlungen erkannt.
Außerdem ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten zu benachrich-
tigen, welcher einen Beamten mit seiner Vertretung beauftragen kann. Hat
der Oberpräsident die Berufung eingelegt, so übernimmt der von dem Minister
bezeichnete Beamte die Vertretung des Berufenden.
§ 20. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung gibt ein von dem
Vorsitzenden des Gerichtshofes aus der Zahl seiner Mitglieder ernannter
Referent eine Darstellung der Sache, wie sie aus den bisherigen Verhand-
lungen hervorgeht. Hierauf werden die Vertreter der kirchlichen Behörde
und des Ministers der geistlichen Angelegenheiten mit ihren Vor= und An-
trägen gehört.
§ 21. Bei der Entscheidung hat der Gerichtshof, ohne an positive Be-
weisregeln gebunden zu sein, nach seiner freien, aus dem ganzen Inbegriff
der Verhandlungen und Beweise geschöpften Ueberzeugung zu entscheiden.
In dem Urtheil ist entweder die Verwerfung der Berufung oder die Ver-
nichtung der angefochtenen Entscheidung auszusprechen.
Das mit Gründen versehene Urtheil wird in der Sitzung, in welcher die
mündliche Verhandlung beendet worden ist, oder in einer der nächsten Sitzungen
verkündet und eine Ausfertigung desselben der kirchlichen Behörde und dem
Minister der geistlichen Angelegenheiten zugestellt.
§ 22. Ueber die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll aufsgenommen,
welches die Namen der Anwesenden und die wesentlichen Momente der Ver-
handlung enthalten muß.
Das Protokoll wird von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer unter-
zeichnet.
§ 23. Wird die angefochtene Entscheidung vernichtet, so hat die kirch-
liche Behörde die Aufhebung der Vollstreckung zu veranlassen und die Wirkung
der bereits getroffenen Maßregeln zu beseitigen.
Der Oberpräsident ist befugt, die Befolgung der von ihm deßfalls er-
lassenen Verfügungen durch Geldstrafen bis zum Betrage von 1000 Thlrn.
zu erzwingen (vgl. § 8).
III. Einschreiten des Staates ohne Berufung.
§ 24. Kirchendiener, welche die auf ihr Amt oder ihre geistlichen Amts-
verrichtungen bezüglichen Vorschriften der Staatsgesetze oder die in dieser
Hinsicht von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anord-
nungen verletzen, können auf Antrag der Staatsbehörde durch gerichtliches
Urtheil aus ihrem Amt entlassen werden, wenn ihr Verbleiben in demselben
mit der öffentlichen Ordnung unverträglich ist.
§ 25. Dem Antrage muß eine Aufforderung an die vorgesetze kirchliche
Behörde vorausgehen, gegen den Angeschuldigten die kirchliche Untersuchung
auf Entlassung aus dem Amte einzuleiten. Steht der Angeschuldigte unter
keiner kirchlichen Behörde innerhalb des deutschen Reichs, so ist derselbe zur
Niederlegung seines Amtes aufzufordern.
Die Aufforderung erfolgt schriftlich unter Angabe des Grundes von dem
Oberpräsidenten der Provinz.
§ 26. Wird der Aufforderung nicht binnen gesetzter Frist Folge gegeben,
oder führt die kirchliche Untersuchung nicht binnen gesetzter Frist zur Ent-
lassung des Angeschuldigten aus dem Amt, so stellt der Oberpräsident bei