Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 43
dem Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten den Antrag auf Einleitung
des Verfahrens.
§ 27. Auf das Ersuchen des Gerichtshofs hat das Gericht höherer In-
stanz, in dessen Bezirk der Angeschuldigte seinen amtlichen Wohnsitz hat, einen
etatsmäßigen Richter mit Führung der Voruntersuchung zu beauftragen.
Bei der Voruntersuchung kommen die entsprechenden Bestimmungen der
Straf-Proceßgesetze zur Anwendung.
Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden durch einen von dem
Minister der geistlichen Angelegenheiten ernannten Beamten wahrgenommen.
§ 28. Der Gerichtshof kann mit Rücksicht auf den Ausfall der Vor-
untersuchung das Verfahren einstellen. In diesem Fall erhält der Ange-
schuldigte Ausfertigung des darauf bezüglichen mit Gründen auszufertigenden
Beschlusses.
§ 29. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so ist der Angeschuldigte
unter Mittheilung der von dem Beamten der Staatsanwaltschaft anzufer-
tigenden Anschuldigungsschrift zur mündlichen Verhandlung vorzuladen. Der-
selbe kann sich des Beistandes eines Advocaten oder Rechtsanwaltes als
Vertheidiger bedienen.
Außerdem ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten zu benach-
richtigen.
§ 30. Für das Verfahren finden die Bestimmungen der §§ 17, 18, 20,
21, 22 sinnentsprechende Anwendung.
In dem Urtheil ist entweder die Freisprechung oder die Entlassung des
Angeschuldigten aus den von ihm bekleideten kirchlichen Aemtern auszusprechen.
§ 31. Kirchendiener, welche Amtshandlungen vornehmen, nachdem sie
in Gemäßheit des § 30 aus ihrem Amt entlassen worden sind, werden mit
Geldstrafen bis zu 100 Thlr bestraft.
IV. Königlicher Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten.
§ 32. Zur Entscheidung der in den §§ 10—23 und 24—31 bezeichneten
Angelegenheiten wird eine Behörde errichtet, welche den Namen:
„Königlicher Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten“
führt und in Berlin ihren Sitz hat.
§ 33. Der Gerichtshof besteht aus elf Mitgliedern. Der Präsident und
wenigstens fünf andere Mitglieder müssen etatsmäßig angestellte Richter sein.
Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Sachen
erfolgt durch sieben Mitglieder. Der Vorsitzende und wenigstens drei Bei-
sitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören.
Die Geschäftsordnung, insbesondere die Befugnisse des Präsidenten und
die Reihenfolge, in welcher die Mitglieder an den einzelnen Sitzungen Theil
zu nehmen haben, wird durch ein Regulativ geordnet, welches der Gerichtshof
zu entwerfen und dem Staatsministerium zur Bestätigung einzureichen hat.
§ 34. Die Mitglieder des Gerichtshofes werden vom Könige auf den
Vorschlag des Staatsministeriums und zwar die bereits in einem Staatsamt
angestellten für die Dauer ihres Hauptamts, die anderen Mitglieder auf
Lebenszeit ernannt.
Für die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Gerichtshofs sind die
für die Mitglieder des Ober-Tribunals bestehenden Vorschriften maßgebend.
§ 35. Der Gerichtshof entscheidet endgiltig mit Ausschluß jeder weiteren
Berufung.
§ 36. Die Justiz= und Verwaltungsbehörden haben den an sie ergehenden
Ersuchen des Gerichtshofes Folge zu geben. Die Beschlüsse und Entschei-
dungen des Gerichtshofes sind im Verwaltungswege vollstreckbar.
Behändigung erfolgt nach den für das Verfahren bei dem Ober-Tribunal
bestehenden Bestimmungen.
§ 37. Für das Verfahren werden nur baare Auslagen in Ansatz gebracht.