AUebersicht der Ereignisse des Tahrts 1873.
Kraft seiner Gesetze keiner anderen Autorität, keiner noch so mächtigen
Corporation beugen; mit je größeren äußeren oder inneren Ansprüchen
solche Versuche hervortreten, desto dringender wird die Staatsgewalt
veranlaßt sein, ihre alleinige Souveränetät sicher zu stellen.“ Uebri-
gens wurde nochmals betont, daß es sich nur um das äußere, ganz
überwiegend weltliche, nicht aber um das innere Gebiet der Kirche
handle, und daß die preußische Regierung sich sorgfältig davor hüten
werde, „in das Gebiet der Gewissensfreiheit, des Glaubenslebens und
der mit demselben zusammen hängenden kirchlichen Einrichtungen und
Sitten einzugreifen.“" Zum Schluß wurden die Bischöfe wiederholt
auf die Folgen ihrer Handlungsweise aufmerksam gemacht: „Wenn
aus der Verfolgung des Glaubens zumeist ein tieferes Glaubensleben
erblühte, so haben dagegen die Kämpfe, welche durch die geistliche
Herrschsucht heraufbeschworen wurden, die Kirche selbst stets geschwächt
und zerrüttet. Diese Besorgniß haben die deutschen Bischöfe auf dem
vaticanischen Concil auch in Bezug auf die jetzigen Kämpfe unum-
wunden ausgesprochen; sie haben gegen das Verfahren der Mehrheit
des Concils protestirt „„um die Verantwortung für die unglücklichen
Folgen vor den Menschen und vor dem furchtbaren Gerichte Gottes
von sich abzulehnen.““ Dieselben Bischöfe, welche damals solches
Zeugniß abgelegt haben, können nicht der Staatsgewalt die Verant-
wortung für den Kampf zuweisen, nachdem sie selber im Voraus ver-
kündet hatten, daß die weltlichen Regierungen nicht anders würden
handeln können, als es jetzt geschieht.“ Ebenso wenig wie die Re-
gierung ließ sich die weit überwiegende Mehrheit des preußischen Ab-
geordnetenhauses von den ultramontanen Drohungen einschüchtern.
Nachdem die Modification der bezüglichen Verfassungsbestimmungen von
beiden Häusern beschlossen und vom Kaiser sanctionirt war, wurde
die Berathung der vier Gesetze selbst in Angriff genommen und bis
zum 21. März erledigt. Die Schlußabstimmung ergab für alle eine
stärkere sogar als bloß eine Zweidrittelmehrheit. Die Opposition be-
stand aus der geschlossenen ultramontanen Fraction, denen sich, der
inneren Verwandtschaft folgend, eine übrigens nicht gar große Anzahl
von Feudal-Conservativen angeschlossen hatte. Eben dieselben boten
ihre letzten Kräfte noch im Herrenhause gegen die Vorlagen auf, aber,
wie sie selbst zum voraus wußten, ohne Erfolg. Die Debatte war
jedoch interessant. Mehrere Redner der Minderheit beleuchteten die
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