Nebersicht der Ereignisse des Jahres 1873.
Maßen um die grundsätzliche Bekämpfung der Souveränetät der staat-
lichen Gesetzgebung der Kirche gegenüber handle und zwar auch da,
wo diese Gesetzgebung das innere Gebiet der Kirche nicht verletzt",
und setzte diesem Anspruch die feste Erklärung entgegen: „Die Bi-
schöfe selbst werden gewiß nicht wähnen, daß eine Regierung, welche
sich der Größe und Tragweite dieser Aufgabe vom ersten Augenblick
vollkommen bewußt war, eine Regierung, welche auf allen anderen
Gebieten der Staatsverwaltung und der Politik dasjenige, was sie für
nothwendig und heilsam erkannt hatte, mit Festigkeit und Stetigkeit
durchzuführen gewußt hat, daß eine solche Regierung in dem Augen-
blicke, wo sie endlich die gesetzlichen Machtmittel erhalten hat, um
jenem staatsfeindlichen Anspruche wirksam zu begegnen, vor einer tro-
tzigen Erneuerung desselben erschrecken oder innehalten sollte! Die
Bischöfe können nicht erwarten, daß ihrer Verwahrung und Aufleh-
nung noch irgend eine Erwiderung seitens der Staatsregierung zu
Theil werde. Nicht um weitere Erörterungen kann es sich jetzt hier
handeln, sondern nur um ruhiges entschiedenes Handeln, um die all-
seitig feste, sichere und durchgreifende Ausführung und Handhabung
der neuen Gesetze. Auch bei der Durchführung der Gesetze aber
liegt unserer Regierung nach allen ihren Ueberlieferungen und Erklärungen
„eine rücksichtslose Anwendung der bürgerlichen Gewalt“ sicherlich fern;
wenn es dazu kommen müßte, so könnte es nur durch ein rücksichts-
loses und revolutionäres Auftreten der Bischöfe herbeigeführt sein.
Die Staatsregierung weiß sehr wohl, daß sie, auch wenn der Kampf
seitens der Kirche auf die Spitze getrieben wird, Bischöfe und Priester
höchstens an der Ausübung ihrer Functionen hindern, nicht aber, wie
von ultramontaner Seite hervorgehoben wird, irgend ein kirchliches
Amt besetzen kann. Die Regierung hat diese Befugniß niemals er-
strebt und würde sie nimmer üben wollen; — was sie will und durch-
führen wird, ist, daß seitens der Kirche geistliche Aemter nur Deut-
schen und nur Männern übertragen werden dürfen, welche die für
ihren Beruf erforderliche allgemeine Bildung besitzen und von denen
zu erwarten ist, daß sie die Staatsgesetze achten und den öffent-
lichen Frieden wollen. Wollten die Bischöfe diesen und ähnlichen
Forderungen der neuen Gesetze, welche mit dem kirchlichen Glauben
und mit der Spendung der Gnadengaben in der Kirche nicht das
Mindeste zu thun haben, und welche nach ihrem eigenen Geständnisse
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