has deutsche Reich und feine einzelnen Glieder. 65
Lesung bereits darthat, in dem Hause geringen, vielleicht keinen Anklang
gefunden. Bereits früher ist meinerseits hervorgehoben worden, daß in der
Einschlagung eines anderen Weges, darin bestehend, daß der Wortlaut der
Verfassungsurkunde selbst eine Aenderung erfahre, ein Differenzpunkt nicht
gegeben sein würde. Ich bin heute in der Lage, Namens der Staatsregie-
rung zu erklären, daß sie den auch von Ihrer Commission vorgeschlagenen
Weg acceptirt. Wenn von einer Seite behauptet worden ist, es rechtfertige
sich nicht, ehe man übersehe, in welcher Gestalt die Vorlagen angenommen
würden, zu einer Verfassungsveränderung zu schreiten, so scheint mir das
nicht begründet. Es wird ja Niemand in Abrede stellen, daß es grundsätz-
liche, weitgreifende Gesichtspunkte gewesen sind, die in den Vorlagen zum
Ausdruck gekommen sind. Wer nun der Ueberzeugung ist, daß es Recht sei,
diesen Gesichtspunkten gemäß die Gesetzgebung im Einzelnen zu entwickeln,
der wird auch heute bereits in der Lage sein, sich darüber schlüssig zu machen,
ob der empfohlenen Verfassungsveränderung beizutreten sei. Mir scheint auch
umgekehrt es vollkommen statthaft, bevor feststeht, ob und welche Verfassungs-
änderung wirklich eintritt, daß dieses hohe Haus die Vorlage selbst zum
Gegenstande seiner Berathung mache, vorausgesetzt immer nur, daß die Be-
rathung einen eventuellen Character habe, Bedeutung nur in der Annahme,
für den Fall, daß die Verfassungsänderung hinterher wirklich ins Leben tritt,
Was die Kommission in dem Art. 15 an Aenderungen vorgeschlagen hat,
ist die principielle Richtigstellung derjenigen Gedanken, die die Staatsregierung
in dem Art. 15 bereits früher gefunden hat — wenigstens diejenige Staats-
regierung, der anzugehören ich die Ehre habe. Der Hr. Abg. Reichensperger
hat das von mir ausgesprochene Wort, es sei der Art. 15 vieldeutig, gestern
in Abrede genommen. Die Vieldeutigkeit liegt zunächst in den Worten „ihre
Angelegenheiten“. Die Kirche soll nach Art. 15 berechtigt sein, ihre Ange-
legenheiten selbständig zu verwalten und zu ordnen. Es ist ja zweifellos,
daß es eine ganze Reihe von Angelegenheiten gibt, die in der That Ange-
legenheiten der Kirche sind. Es gibt nun aber ebenso zweifellos eine Reihe
von Gebieten, auf welchen — und recht weitgehend — Seitens der Kirchen
behauptet wird: „Das ist noch unsere Angelegenheit", wo aber von der
anderen Seite das nicht anerkannt wird. Ich meine nun, derselbe Factor,
der die Kirche in die Möglichkeit gesetzt hat, ihre Angelegenheiten selbständig
zu ordnen und zu regeln, muß im Streite auch das Recht haben zu be-
stimmen: „Was sind ihre Angelegenheiten, und wo geht die Grenze?" Und
der Factor ist die Staatsgesetzgebung, denn die Verfassungsurkunde beruht
auf der Staatsgesetzgebung. Und das ist auch der Gesichtspunkt gewesen, der
bei den Verhandlungen über die Verfassungsurkunde von dem Minister
v. Ladenberg inne gehalten worden ist. Derselbe hat wiederholt hervorge-
hoben, daß, wo es sich um Angelegenheiten handle, wo andere Gebiete mit
berührt werden, die Staatsgewalt es sei, die darüber zu wachen habe, daß
die Berührung nur in rechter Weise stattfinde, und im Verwaltungswege
und Gesetzgebungswege das Nähere zu bestimmen habe. Der Satz in dem
Commissionsvorschlage, der dem Staate dieß Recht gewährt, drückt dies aber
auch gleichzeitig aus, und ich muß es wiederholen, auf den lebhaftesten
Widerspruch hin, daß, insoweit die Religionsgesellschaften und die Kirchen
insbesondere im Rechtsleben des Staates stehen, sie die Bedeutung wenn auch
der höchsten privilegirten und der innerlich bedeutendsten Corporationen, doch
aber immer nur die Bedeutung von Corporationen haben. Außerdem wir
durch jene Worte, an die sich die eine Nutzanwendung der Aufsicht anschließt,
deutlich ausgedrückt, daß die Kirche sich innerhalb des Lebens des Staates
bewege und nicht über demselben; und weil diese Gesichtspunkte von mir
vielfach als die rechten bezeichnet worden sind, deßwegen glaube ich, auch
mich einverstanden erklären zu sollen mit demjenigen, was Ihre Kommission
bei Art. 15 vorgeschlagen hat. Der Abg. Windthorst meint, man müsse
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