Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 67 
31. Jan. (Deutsches Reich.) Im Marineministerium ist man eifrig 
mit Vorschlägen für Abänderung des „Flottengründungsplanes“ vom 
Jahre 1867 beschäftigt. Die offiz. Blätter geben darüber folgende 
Andeutungen: 
Die Alternative, Schlachtschiffe oder Schiffe zur Küstenvertheidigung wird 
seitens der deutschen Admiralität zu Gunsten der Küstenvertheidigung beant- 
wortet. Die Alternative war gestellt, noch ehe der Plan von 1867 dem 
Reichstage des Norddeutschen Bundes in der ersten Session zur Motivirung 
der Marineanleihe vorgelegt wurde. Die Bedenken gegen die Schiffskolosse 
machten sich, damals freilich im Widerspruch mit der in den englischen und 
den französischen Marineministerien herrschenden Tendenz, in dem Augenblick 
geltend, da es sich um den Ankauf des „König Wilhelm“ handelte, aber 
vergebens. Die preußischen, später norddeutschen Marineoffiziere hatten keinen 
heißeren Wunsch, als daß die heimische Kriegsflotte mit denen der Seemächte 
gerade in der Beschaffung jener kolossalen Schlachtschiffe wetteifern möge. 
Die Erfahrungen des Sommers und des Herbstes 1870 haben endlich auch 
in diesen Kreisen das unbedingte Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der 
Schlachtschiffe erschüttert, und das Augenmerk auf die nächsten Bedürfnisse 
der Flotte und auf die Anpassung der Schiffsbauten an die nächste Aufgabe 
einer deutschen Flotte gerichtet. Schon im Spätherbst oder Winter 1870 
erklärte eine Commission höherer Marine-Offiziere den sofortigen möglichst 
beschleunigten Bau einer größeren Anzahl von Torpedo-Booten und kleinen 
Monitors für unumgänglich. Der neue, auf die nächste Entwicklungsperiode 
der deutschen Marine berechnete, Plan soll also die Einseitigkeit desjenigen 
vom Jahre 1867 corrigiren. Es soll bei den drei großen Panzerschiffen 
(„König Wilhelm“ und den beiden in Kiel und Wilhelmshafen im Bau 
befindlichen) und den fünf mitttleren oder kleineren sein Bewenden haben. 
Dagegen würde das Hauptgewicht vorderhand auf Sicherung der Flußmün- 
dungen durch Torpedo-Boote, der Küsten durch schwimmende Batterien und 
Monitors gelegt werden. Ob es nöthig sein wird, die nächste Bauperiode 
über das Jahr 1877 hinaus auszudehnen, wird erst beurtheilt werden können, 
wenn die Kostenanschläge des neuen Planes feststehen. Im übrigen aber 
wird man sich gewöhnen müssen, den Flottengründungsplan nicht, wie bisher, 
als feststehenden Maßstab zu betrachten, sondern von Anfang an eine Revi- 
sion desselben nach einer gewissen Frist in Aussicht zu nehmen, wie denn 
schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit zu erkennen ist, daß nach verhältnißmäßig 
kurzer Zeit die unterseeischen Schiffe einen wichtigen Platz in der Kriegs- 
marine beanspruchen werden. 
„ (Preußen.) Die Bischöfe erhalten von ihrer Geistlichkeit immer zahl- 
reicher werdende Zustimmungsadressen zu ihrem Vorgehen gegen die 
kirchenpolitischen Gesetze und die Staatsgewalt, 
in welchen die Geistlichen jene versichern, daß „auch sie durch keine 
zeitlichen Nachtheile von der Treue gegen ihren Priestereid sich werden ab- 
wendig machen lassen, vielmehr geschaart um ihren hochwürdigen Oberhirten 
mit Hochdemselben die Folgen und Opfer unerschütterter Pflichterfüllung zu 
theilen entschlossen seien.“ 
Zuerst kommen die Domcapitel, dann die Geistlichkeit der verschie- 
denen bischöflichen Residenzen, endlich die Geistlichkeit ganzer Decanate. 
Der Wortlaut der Adressen ist überall fast gleichlautend wie nach 
einem Formular. Die Freiwilligkeit vieler Unterzeichner wird daher 
auch von der Gegenpartei stark bezweifelt. 
(Deutsches Reich.) Die Bildung altkath. Gemeinden scheint 
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