Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

68 
Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
am Rhein, in der bayerischen Pfalz, in Franken etc. etc. einen lang- 
samen aber sicheren Gang zu nehmen und wird von Bonn und Mün- 
chen aus augenscheinlich mit Umsicht und Energie geleitet. Die theo- 
logische Fakultät der Universität Bonn gehört in ihrer Mehrheit dem 
altkatholischen Bekenntnisse an. In dem der Schweiz benachbarten 
badischen Seekreis (Constanz) wird ein energischer Angriff auf die 
römische Kirche vorbereitet.  
31. Jan. (Preußen.) Das Vorgehen des brandenburgischen Consistoriums 
gegen den liberalen Berliner Prediger Sydow hat eine weit greifende 
Agitation für und gegen den Gemaßregelten hervorgerufen. Der Ber- 
liner Magistrat, die Gemeinde Sydow's und zahlreiche andere Prediger 
erklären sich laut für ihn und mit ihm im wesentlichen durchaus ein- 
verstanden. Orthodoxe Pastoren erlassen dagegen auch ihrerseits Er- 
klärungen, durch welche sie der Maßregel des Consistoriums zustimmen. 
1. Februar. (Deutsches Reich.) Bundesrath: Der Reichskanzler legt 
demselben einen Gesetzesentwurf betr. die Geldmittel zur Umgestaltung 
der deutschen Festungen ausschließlich derjenigen in Elsaß-Lothringen vor: 
„Art. 1. Aus den nach dem Reichsgesetz vom 8. Juli 1872 reservirten 
1½ Milliarden Franken der von Frankreich zu zahlenden Kriegskosten-Ent- 
schädigung ist ein Betrag von 68 Millionen Thalern zur zeitgemäßen Um- 
gestaltung der deutschen Festungen, ausschließlich derer in Elsaß-Lothringen 
zu verwenden. Art. 2. Von dieser Summe werden dem Reichskanzler für 
die Jahre 1873 und 1874 18 Millionen Thlr., für die folgenden 10 Jahre 
je 5 Millionen Thaler zur Verfügung gestellt. Diese letzteren Beträge sind 
in den Reichshaushaltsetat der betreffenden Jahre aufzunehmen. Art. 3. 
Der Reichskanzler wird ermächtigt, den im Art. 1 bezeichneten Betrag, soweit 
derselbe zufolge der Bestimmung im Art. 2 erst im Jahr 1874 und später 
zur Verwendung kommt, zinsbar anzulegen. Die aufkommenden Zinsen sind 
alljährlich in den Reichshaushaltsetat aufzunehmen. Art. 4. Die im Besitz 
der Militärverwaltung befindlichen Grundstücke, welche für dieselbe in Spandau 
durch die Erweiterung dieser Festung und in Stettin dadurch entbehrlich 
werden, daß die Festung Stettin durch die für Küstrin angeordneten Ver- 
stärkungen ersetzt werden soll, werden für Rechnung des Reichs insoweit ver- 
äußert, als ihr Erlös die Ausgaben für die Erweiterung von Spandau, be- 
ziehungsweise die Verstärkung von Küstrin und die bei Stettin im Interesse 
der Landesvertheidigung nothwendigen Einebnungsarbeiten nicht übersteigt. 
Dieser Erlös ist in den nächsten Reichshaushaltsetat aufzunehmen, und sofern 
nicht durch den Etat oder durch besondere Gesetze anderweitig verfügt wird, 
nach dem durch Art. 6 des Gesetzes, betreffend die französische Kriegsentschädi- 
gung vom 8. Juli 1872, festgestellten Maßstabe zwischen dem vormaligen 
norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Südhessen zu ver- 
theilen. Der Verkaufserlös derjenigen im Besitze der Militärverwaltung be- 
findlichen Grundstücke, welche im Fall einer Erweiterung der inneren Um- 
wallung der Festung Köln entbehrlich werden, kann zu den Kosten dieser 
Erweiterung verwendet werden. Art. 5. Die im Besitze der Militärver- 
waltung befindlichen Grundstücke, welche für dieselbe dadurch entbehrlich werden, 
daß die Festungen Minden, Erfurt, Wittenberg, Cosel, Graudenz, Colberg 
und Stralsund — letztere beide ausschließlich der Werke an der Küste und 
auf Rügen — als solche eingehen sollen, werden für Rechnung des Reichs 
insoweit veräußert, als ihr Erlös zur Deckung der Kosten für die im Interesse 
der Landesvertheidigung nothwendigen Einebnungs-Arbeiten erforderlich ist.