Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 69
Die Einnahmen aus diesen Veräußerungen und die Ausgaben für die Ein-
ebnungs-Arbeiten sind in die Reichshaushaltsetats der betreffenden Jahre
aufzunehmen.“
Zur näheren Erläuterung bringen die offiz. Blätter Folgendes bei:
Die Reichsregierung theilt die vor dem französischen Kriege vielfach, auch in
competenten Kreisen, gehegte Ansicht von der Werthlosigkeit der Festungen
im modernen Kriege durchaus nicht. Aus den Erfahrungen des letzteren hat
sie vielmehr die doppelte Lehre gezogen: daß trotz der Vervollkommnung der
Angriffswaffen starke und zweckmäßig ausgerüstete Festungen einen hohen
Vertheidigungswerth besitzen; daß aber die deutschen Festungen im Allge-
meinen ebensowenig den Anforderungen der Neuzeit entsprechen, als dies bei
der Mehrzahl der französischen festen Plätze der Fall war, welche großentheils
nur in Folge ihrer veralteten Bauart und mangelhaften Ausrüstung dem
heftigen Ansturme der deutschen Artillerie oft schon nach wenigen Tagen
weichen mußten, während sie außerdem die Bewegungen unserer siegreichen
Heere in der empfindlichsten, manchmal auch in der gefährlichsten Weise hätten
stören können. Die unter dem Vorsitze des deutschen Kronprinzen aus den
hervorragendsten Befehlshabern der Armee gebildete Landesvertheidigungs-
Commission ist demgemäß zu der Aufstellung folgender drei Grundprincipien
gelangt, welche sowohl für den vorliegenden Gesetzentwurf als für die weitere
zukünftige Behandlung der Frage zur Richtschnur zu nehmen sind: 1) daß
einzelne größere Centralpunkte für die Landesvertheidigung geschaffen werden
müssen; 2) daß bei Erfüllung dieses Bedürfnisses ein Theil der vorhandenen
Festungen aufgegeben werden könne, und 3) daß die für die übrigen bestehen
bleibenden Festungen eine Verstärkung nicht sowohl durch räumliche Erweite-
rung als durch intensive Verbesserung der Befestigungen und der Ausrüstung
zu gewinnen sei. Einen großen Centralpunkt für die Landesvertheidigung,
der unter Umständen auch eine Feldarmee aufnehmen könnte, besitzen wir zur
Zeit eigentlich nur in Metz, dem endlich wiedergewonnenen festesten Bollwerk
der deutschen Landesgrenze; nach dem bereits auf's rüstigste in Angriff ge-
nommenen Umbau Straßburgs und dem in vorliegendem Entwurfe projectirten
vollständigen Ausbau der Festungen Köln, Coblenz, Mainz und Ulm wird
unsere Westgrenze eine Stärke und Vertheidigungstüchtigkeit haben, wie sie
nach menschlicher Voraussicht zur Abwehr auch der wüthendsten Angriffe des
rachsüchtigen Nachbars hinreichen dürfte. Auch unsere Ostgrenze gegen Ruß-
land hin wird durch die Erhebung Königsbergs und Posens zu Waffenplätzen
ersten Ranges eine sehr erhebliche Verstärkung erfahren, was trotz der freund-
schaftlichen Gesinnungen des jetzigen Beherrschers aller Reußen, im Hinblick
auf mögliche Eventualitäten in nicht allzu ferner Zukunft, nach dem be-
kannten Satze: „Vorsicht ist die Mutter der Weisheit", seine volle Berechti-
gung haben dürfte. Dagegen finden wir von Schlesien und Sachsen ab,
auf der ganzen langen Grenzlinie gegen Böhmen, die österreichischen Erzher-
zogthümer, Tyrol und die Schweiz, keinen einzigen festen Platz von Bedeu-
tung, wenn wir von Ingolstadt absehen wollen, das als Binnenfestung, die
zudem ihre Widerstandsfähigkeit der modernen Kriegführung gegenüber erst
noch zu erproben haben wird, kaum in Betracht kommen kann. Auch der
oben mitgetheilte Gesetzentwurf schlägt keine Ausfüllung dieser Lücke in dem
deutschen Defensivsystem vor — ob aus militärischen oder politischen Gründen,
möge vorläufig dahingestellt bleiben. Die sofort aufzugebenden kleineren
Festungen sind im Gesetze selbst aufgezählt; ihnen wird sich vielleicht im
Laufe der Zeit noch die eine oder die andere anreihen. Was nun die Ver-
stärkung der älteren Festungsplätze betrifft, so besteht dieselbe hauptsächlich
in der Anlegung detachirter Forts, welche die erste Vertheidigungslinie weit
von der eigentlichen Festung und Stadt hinwegrückt, und in der Vermehrung
der Ausrüstung. In dieser Beziehung sollen die Lehren, welche der letzte
Krieg über die absolute Nothwendigkeit bombenfester Kasematten und weit-