Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 77
nützung der Spitalkirche und nicht nur dieser, sondern auch der damit
verbundenen Pfründe, so daß alsbald ein altkatholischer Geistlicher zur
Abhaltung des Gottesdienstes berufen werden kann.
17. Febr. (Deutsches Reich.) Bundesrath: Der Präsident des Bundes-
kanzleramtes berichtet über die Ausführung des Jesuitengesetzes: die
Auflösung der Niederlassungen der Jesuiten ist demnach in sämmtlichen
Bundesstaaten durchgeführt worden.
Als religiöse mit den Jesuiten verwandte Genossenschaften werden in
den Berichten bezeichnet: die Redemptoristen oder Liguorianer, die Lazaristen
oder Missionspriester vom hl. Vincenz v. Paula, die Brüder der christlichen
Schulen, die Congregation vom hl. Geist, die frères du précieux sang, die
Schulbrüder des Vereins Maria und die Schulbrüder der christlichen Lehre,
die société du sacré coeur de Jesus, die Schulschwestern und die marianische
Congregation. Ueber die Frage, ob diese Genossenschaften dem Orden der
Gesellschaft Jesu verwandt seien, äußern sich die Regierungen vorläufig dahin:
Preußen und Elsaß-Lothringen erachten bezüglich der Redemptoristen die
Verwandtschaft für festgestellt, Bayern nicht. Preußen nimmt die Verwandt-
schaft als zweifellos an hinsichtlich der Lazaristen und der Congregation vom
heiligen Geist, der Frauen vom heiligen Herzen Jesu und der Marianischen
Academiker-Congregation. Die hessische Regierung rechnet die Schulbrüder
in Mainz zu den Verwandtschaften nicht, auch nicht die Schulschwestern;
Bayern ist derselben, der Oberpräsident von Elsaß-Lothringen der entgegen-
gesetzten Ansicht. Bayern erklärt, daß kein Grund vorliege, die Auflösung
der Marianischen Congregation zu verfügen.
18: „ (Preußen.) Abg.-Haus: hebt gelegentlich der Etatsberathung
die Stempelabgaben an Geburts-, Tauf-, Aufgebots-, Ehe-, Trau-
ungs-, Todten- und Beerdigungsscheinen vollständig auf gegen den
Widerstand des Regierungscommissärs, der die Maßregel mit wenig
stichhaltigen Gründen bekämpft. Dagegen wird der sog. Dispositions-
fonds der Regierung mit großer Mehrheit (gegen die Stimmen der
Ultramontanen, der Fortschrittspartei und der Polen) genehmigt.
19. „ (Deutsches Reich.) Bundesrath: Preußen beantragt die Ab-
lehnung des Reichsbeamtengesetzes in der vom Reichstage beschlossenen
Fassung.
„ Kopernicusfeier in Thorn: Die Polen feiern den Tag nicht mit
den Deutschen zusammen, sondern für sich allein.
Wegen der vom polnischen Reichstagsabgeorbneten Propst Jaczdzewski
bei dieser Gelegenheit gehaltenen Festpredigt wird gerichtliche Untersuchung
eingeleitet, da sie voll der gröbsten Schmähungen gegen die deutsche Cultur
und voll der heftigsten Invectionen gegen den preußischen Staat und dessen
Regierung ist und mit der Aufforderung an die Polen schließt: die Wieder-
herstellung der politischen Selbständigkeit des ehemaligen Polens als höchstes
Ziel ihres Strebens unverrückt im Auge zu behalten und zur Erreichung
dieses Zieles alle ihre Kräfte zu vereinigen.
„ (Preußen.) Herrenhaus: überweist die kirchen-politischen Vor-
lagen und zwar zunächst die beantragte Verfassungsveränderung an
eine Commission, die genau zur Hälfte aus Gegnern und zur Hälfte
aus Freunden der Gesetzvorlagen zusammengesetzt wird.