Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 79
der nicht wenigstens 2 Jahre lang eine deutsche Universität, auf welcher eine
katholisch-theologische Facultät besteht, mit Erfolg benutzt und sein Examen
bestanden hat; 2) die beiden Schullehrerseminarien in Friedberg und
in Bensheim zu einer Anstalt zu vereinigen und keinen Lehrer zur Anstellung
und Amtsausübung gelangen zu lassen, welcher nicht die vorgeschriebene Zeit
hindurch diese Anstalt besucht und sein Examen bestanden hat; 3) als Volks-
schulen nur confessionslose Communalschulen zu dulden, den Volksschul-
ehrern die Ertheilung des confessionellen Religionsunterrichts zu entziehen
und solchen für Schüler und Schülerinnen vom 12. Jahre an den zustän-
digen Geistlichen zu überweisen; 4) behufs Handhabung der staatlichen Kirchen-
aufsicht auch in Bezug auf Verwaltung und Verwendung der Kirchenver-
mögen die früheren Rechte des Staates gegenüber der katholischen Kirche
wiederherzustellen."
22. Febr. (Preußen.) Der Erzbischof von Posen und Gnesen, Graf
Ledochowski, versagt der Verfügung des Provinzial-Schulceollegiums,
wonach der Religionsunterricht an den höhern Unterrichtsanstalten nur
in derjenigen Sprache ertheilt werden darf, welche bei den übrigen
Lehrgegenständen zur Anwendung kommt, d. h. mit einigen Ausnahmen
in der deutschen Sprache, seinen Gehorsam und weist die sämmtlichen
Religionslehrer seiner Diöcese an, trotz derselben auf dem polnischen
Unterricht zu beharren.
In dem dießfälligen Rundschreiben betont er: „Die näheren Bestimmungen
über die Art und Weise, wie die katholische Glaubenslehre der katholischen
Jugend ertheilt werden soll, gebührt in der katholischen Kirche nicht der
weltlichen, sondern der geistlichen Obrigkeit; denn der Heiland hat die Pflicht,
die Menschen im Glauben zu unterrichten, den Aposteln und deren Nach-
folgern, den Bischöfen, nicht aber weltlichen Personen mit den Worten über-
tragen: Euntes docete etc... Gestützt auf diese Erwägungen und Be-
weggründe, lasse ich euch daher nachfolgende Erläuterungen über den Umfang
der von mir euch ertheilten canonischen Mission zugehen, indem ich euch
hiermit nachdrücklich verpflichte, dieselben auf das Genaueste einzuhalten und
in keinem Fall und unter keinem Vorwande zu überschreiten.“ Dem-
nach befiehlt er ihnen, es sei ihnen „kraft der von ihm ihnen ertheilten
canonischen Mission“ gestattet, die Schuljugend in der Religion in allen
Klassen von der untersten bis zur Secunda exel. nicht anders als in der
Sprache, in welcher sie dieselbe bisher ertheilt haben, d. h. in der polnischen
als in der Muttersprache der Mehrheit der Schüler zu unterrichten. Nur
die Ausnahme läßt er zu, daß von Ostern an in der Secunda und Prima
die Religion deutsch vorgetragen werden dürfe, und auch das nur „bis auf
Weiteres und so lange die beklagenswerthe, die Gewissensfreiheit beeinträch-
tigende Richtung der gegenwärtigen Zeit sich nicht ändert."
„ (Sachsen.) II. Kammer: erklärt sich mit allen gegen bloß 2
Stimmen für die Ausbildung des Reichsoberhandelsgerichts in Leipzig
zu einem obersten Gerichtshofe für das Reich.
24. „ (Deutsches Reich.) Der französische Botschafter kündigt Unter-
handlungen über die von Frankreich für die fünfte Milliarde zu ge-
währende Sicherheit und dagegen sofortige Räumung des Landes durch
die deutschen Occupationstruppen an. Die Reichsregierung erklärt
sich dazu unter Voraussetzung genügender Sicherheit bereit.
(Deutsches Reich.) Der Kaiser sanctionirt die vom Reichstag