Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 85 
eine Vervollständigung des Telegraphennetzes, daß dafür 4 Millionen 
Thlr. aus der franz. Kriegsentschädigung verwendet werden, und legt 
demselben die vom Chef der Admiralität, General v. Stosch, aus- 
gearbeitete Denkschrift über die deutsche Marine und einen neuen 
Flottengründungsplan für die Jahre 1873—82 vor. 
7. März. (Preußen.) Abg.-Haus: beginnt die Berathung der kirchen- 
 
politischen Gesetzentwürfe und zwar zunächst desjenigen über die Vor- 
bildung und Anstellung der Geistlichen. 
8.   „ (Sachsen.) I. u. II. Kammer verständigen sich bez. der Steuer- 
reformfrage schließlich noch über ein Compromiß, das von der I. Kammer 
einstimmig, von der II. Kammer mit 41 gegen 29 Stimmen ange- 
nommen wird und dem die Regierung zustimmt: 
„1) Die Regierung wird ersucht, der nächsten Ständeversammlung einen 
Gesetzentwurf Behufs Einführung einer allgemeinen Klassen= und Einkommen- 
steuer vorzulegen. 2) Neben der Klassen= und Einkommensteuer ist jedoch 
die Grund= und Gewerbesteuer beizubehalten. Beide werden zur Befreiung 
von ihren wesentlichsten Mängeln, und um ein möglichst richtiges Verhältniß 
zwischen beiden herzustellen, einer Revision unterworfen. 3) Für jede Finanz- 
periode wird durch Gesetz festgestellt, welcher Theil des Bedarfs auf die 
Grund= und Gewerbesteuer und welcher auf die Klassen= und Einkommen- 
steuer gelegt werden soll." 
10.   „ (Preußen.) Der Geh. Rath Wagener verlangt nunmehr selbst 
die Einleitung des Disciplinarverfahrens gegen ihn. Dasselbe wird 
denn auch unter vorläufiger Beurlaubung desselben sofort eingeleitet. 
„ (Sachsen.) Schluß des Landtags. Die Thronrede des Königs 
gibt über den Entschluß der Regierung bezüglich des Volksschulgesetzes, 
über welches sich die beiden Kammern nicht haben einigen können, 
keine Andeutung, tadelt dagegen die erste Kammer ausdrücklich wegen 
ihrer Ablehnung der von der Regierung selbst vorgeschlagenen zeit- 
gemäßen Abänderung einiger Bestimmungen der Verfassung: 
„Ein langer und viel bewegter, an bedeutenden und schwierigen Arbeiten 
überaus reicher Landtag liegt hinter uns. Eine seiner wichtigsten Aufgaben 
war es, die neue Organisation der Behörden für die innere Verwaltung zu 
berathen, welche, indem sie die Bevölkerung selbst zu einer umfassenden und 
einflußreichen Theilnahme an den öffentlichen Geschäften herbeizieht, einem 
längst gefühlten Bedürfniß Rechnung tragen soll. In engem Zusammenhang 
mit diesem Gesetzentwurf stehen die revidirten Gemeindeordnungen, die Gesetze 
über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen und über die Bezirksvertre- 
tungen, das neue Volksschulgesetz und die Vorlage über die Errichtung eines 
Landesconsistoriums für die evangelisch-lutherische Kirche, welche Gesetze alle 
nicht von einander getrennt ins Leben treten können. Ueber den größten 
Theil dieser Vorlagen ist es gelungen, eine vollständige Uebereinstimmung 
aller Factoren der Gesetzgebung herbeizuführen. Soweit dies nicht möglich 
gewesen ist, wird eine definitive Entschließung über das auf Grund der Ver- 
fassung des Landes von mir einzuschlagende Verfahren und die Consequenzen 
desselben in Bezug auf andere Gesetze nicht eher gefaßt werden können, als 
bis die das Volksschulgesetz betreffende ständische Schrift, welche noch nicht 
an meine Regierung gelangt ist, einer genauen Prüfung unterlegen hat. Zu 
meinem lebhaften Bedauern hat es gereicht, daß über die den Ständen vor- 
gelegten Gesetzentwürfe wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde