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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Gewalt, und wie das Papstthum sich in weiterer Consequenz gezeigt hat,
ist bekannt. Nicht etwa die beruhigende Einwirkung dieser Geistlichen auf
ihre Wähler, sondern das Ministerium Brandenburg, die königliche Armee
war es, welche die Ordnung wieder herstellte. Der Staat war doch schließ-
lich genöthigt, sich selber zu helfen. Der Schutz, den sie den Königen ge-
währt haben, war nicht ausreichend; aber es war eben ein modus vivendi,
unter dem wir eine Anzahl Jahre in einem freundlichen Verhältnisse
gelebt haben. Allerdings war dieser modus vivendi doch nur durch eine
ununterbrochene Nachgiebigkeit des Staates erkauft, indem er die Wahrneh-
mung der Rechte der katholischen Kirche ganz rückhaltlos in die Hand einer
Behörde gelegt hatte, die zwar zur Wahrnehmung der Rechte Preußens gegen-
über der römischen Herrschaft eingesetzt worden, die aber schließlich eine Be-
hörde geworden war, welche die Interessen des Papstthums zunächst im Auge
hatte; ich meine natürlich die katholische Abtheilung des Cultus-Ministeriums.
Wer die Dinge etwas näher gekannt hat, der hat wohl schon, wie auch ich,
sich häufig der Besorgniß hingegeben, daß dieser Friede nicht von Dauer
sein wird. Allein bei längerer Abneigung gegen jeden Kampf und Streit
habe ich dann diesen Frieden mit allen seinen Nachtheilen dem Kampfe vor-
gezogen und habe meinerseits dem Kampfe entsagt, wenn von anderer Seite
nicht zum Kampfe gedrängt wurde. Ja, es hat vielleicht kaum einen Moment
gegeben, wo man, abgesehen von allen übrigen Folgen, die Regierung mehr
geneigt gesehen hätte zum Frieden mit der römischen Curie, als gerade am
Schluß des französischen Krieges. Es sind hierüber im anderen Hause
Unwahrheiten behauptet worden. Jedem, der mit uns in Frankreich gewesen
ist, ist bekannt, daß uns während des ganzen Krieges Eines verstimmte, das
war die Haltung des Königs von Italien, bei dem nach unserer Ansicht die
Liebe zu dem französischen Volke stärker war als die Wahrnehmung der
Interessen seines Landes. Die Italiener hätten mit uns gemeinsam ihre
Unabhängigkeit gegen Frankreich vertheidigen müssen; aber es war eine sehr
auffallende Erscheinung, daß damals in dieser verzweifelten Lage uns that-
sächlich italienische Truppen gegenüberstanden, was, wie wir glaubten, mit
mehr Nachdruck hätte verhindert werden können. Kurz, es war eine offen-
kundige Verstimmung zwischen der italienischen und deutschen Politik in
Europa zu Tage getreten; wir waren also weit entfernt, aus irgend einer
Vorliebe für Italien in unserer inneren Politik etwas gethan zu haben.
Als ich mich noch in Versailles befand, überraschte es mich einiger Massen,
daß an die katholischen Mitglieder der parlamentarischen Körperschaft eine
Aufforderung erging, sich darüber umgehend gegen Bischof Ketteler zu er-
klären, ob sie einer katholischen Fraction beizutreten entschlossen seien, und
ob sie sich dazu verstehen wollten, bei Angelegenheiten der innern Reichs-
politik dafür zu stimmen und darauf hinzudrängen, daß diese Paragraphen,
um die es sich heute handelt, in die Reichsverfassung hineingebracht werden.
Mich erschreckte dieses Programm damals noch nicht so sehr, um so weniger,
als ich wußte, von wem es ausging; von einem hochgestellten Kirchenfürsten,
welcher die Aufgabe hat, nach dem Programm der päßstlichen Politik zu
wirken; der eben darin seine Aufgabe erfüllt hat, und es war außerdem von
einem Mitgliede der Centrumspartei, dem früheren preußischen Bundestags-
gesandten Herrn v. Savigny, diese Bewegung vorzugsweise eingeleitet, von
dem ich nicht glaubte, daß sein Einfluß sich wesentlich gegen die Regierung
richten würde. Ich führe nur die Gründe an, warum ich der Bewegung
damals diese Bedeutung noch nicht beilegte, und daß ich nach Deutschland
zurückgekommen war mit der Ueberzeugung, es ließe sich auch mit dieser
Partei und ihren Bestrebungen leben. Als ich nun hieher kam, sah ich
allerdings, wie stark die Organisation dieser Partei der kämpfenden Kirche
gegen den Staat inzwischen geworden war, und ich sah die Fortschritte der
katholischen Abtheilung im Cultus-Ministerium auf dem Gebiete der Be-