Italien. (November 17.) 383
verdanke, und dadurch, daß König und Volk vereint auf dem Wege der Freiheit
bleiben, konnten Italien für immer die Sympathien der Völker und die
Gunst des Geschickes erhalten werden.
Auch bei der Rückkehr der königl. Familie nach dem Quirinal
werden derselben neue Huldigungen der Menge dargebracht.
Bei der Präsidentenwahl wird Biancheri mit 268 von 303
Stimmen in der zweiten Kammer wiedergewählt; im Senat wird
Farini Präfident.
Die Thronrede wird von beiden Kammern mit zustimmenden
Adressen beantwortet.
17. November. Versuch der Bildung einer festen Kammer-
mehrheit. Crispi lädt alle „Freunde des Ministeriums“ in der
Kammer zu einer Besprechung in den roten Saal des Parlaments
ein, etwa die Hälfte der anwesenden Deputierten leistet Folge, unter
ihnen auch Radikale, als deren Obmann Fortis erscheint. Alle
Minister außer dem des Krieges find zugegen.
Crispi nimmt das Wort, um zunächst zu versichern, daß sein Mini-
sterium ein streng parlamentarisches sein und nicht das Geringste ohne Wissen
und Zustimmung der Volksvertretung thun werde. Das Kabinet werde an
seinem Platze bleiben, solange es sich durch die Kammer unterstützt sehe; es
werde abtreten, sobald ihm die Unterstützung zu fehlen drohe. Das Re-
gierungsprogramm sei in der Thronrede enthalten, soweit es die Arbeiten
dieser Session betreffe. Dieselbe solle eine kurze Dauer haben, weil kurze
Sessionen wirkungsvoller seien. Der Ministerpräsident erbitte demnach die
Beihilfe aller, welche das aufgestellte Programm zu dem ihrigen machen
(genau wie Depretis). Er fügt hinzu, die dringlichsten Aufgaben seien die
finanziellen und die Lösung der Eisenbahnfrage. Es müsse dahin gearbeitet
werden, das finanzielle Gleichgewicht mit den berechtigten Erwartungen des
Landes bezüglich neuer Eisenbahnbauten auszusöhnen. Crispi schlägt vor,
mit der Bezeichnung der Kandidaten für die verschiedenen Permanenz-Aus-
schüsse eine Kommission zu betrauen, und spricht den Wunsch aus, daß der
Generalbudget-Ausschuß alle Finanzkoryphäen des Parlaments vereinige.
Hierauf erklärt Fortis: „Wir bilden keine verneinende Partei; wir
wünschen mit den übrigen Parteien zum Wohle des Landes zu wirken; aber
wir wollen eine Regierung, welche uns gebührend Rechnung trägt. Wir
verlangen Vertretung in den Kommissionen, besonders in der Budget= und
der Petitionskommission. Wir hoffen, die Regierung werde die seit lange er-
sehnten politischen Reformen endlich durchführen. Das Ministerium schmeichle
sich nicht damit, daß alle heute abend hier Anwesenden seine Freunde seien.
Eine Scheidung der Parteien muß kommen. Es ist also das beste, sie sofort
herbeizuführen. Möge das Ministerium seine Absichten klar aussprechen.“
Crispi entgegnet: Seine Vergangenheit und seine Ueberzeugungen,
redeten deutlich genug. Er wünschte nichts besseres als die Verwirklichung
der Reformen, denen er seit 40 Jahren nachstrebe; aber es müsse den
Umständen Rechnung getragen werden. Reformen müssen dann ins Werk
esetzt werden, wenn sie im Bewußtsein des Landes hinreichend herangereift
seien. Alle Abgeordneten haben gleiche Rechte und Ansprüche; niemand werde
ausgeschlossen oder beiseite gesetzt. Er, Redner, liebe die Freiheit als eine
Sonne, deren Strahlen gute Früchte zeitige.