Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

Jegupien. (Februar Anfang—I1.) 479 
aber sich ausweichend verhalten, um die ägyptische Regierung zu zwingen, 
einen Franzosen zum Generalprokurator zu ernennen. Nach unsern Mit- 
teilungen vermischt die „Times“ zwei ganz verschiedene Dinge. Es ist richtig, 
daß die französische Regierung grundsätzlich nicht gegen Abschaffung des Fron- 
dienstes ist, aber sie ist in Zwiespalt mit der englischen Regierung über die 
Verwendung der durch diese Abschaffung freigewordenen Gelder. Sie will, 
daß dieselben für den Unterhalt des ägyptischen Heeres verwendet werden, 
was England verweigert. Mit der Ernennung des Generalprokurators ver- 
hält es sich folgendermaßen: Inhaber dieses Psstens ist dem Abkommen ge- 
mäß gegenwärtig ein Franzose; dieser ist nun gezwungen, sich aus Gesund- 
heitsrücksichten zurückzuziehen. Die französische Regierung verlangt also mit 
Recht, daß für die Zeit von dessen Amtsdauer ein Franzose angestellt werde. 
Diesen Aufpruch bestreitet die englische Regierung, welche sofort einen eng- 
lischen oder italienischen Generalprokurator ernennen möchte. 
Anfang Februar. (Nubien.) Ein aus Kartum kommender 
Emissär bringt die Nachricht, daß die in Kartum wohnenden Stämme 
bereit seien, die Autorität Aegyptens wieder anzuerkennen. 
3. Februar. Stanlen bricht von Kairo mit 60 Freiwilligen 
zur Befreiung Emin Paschas (Dr. Schnitzler) auf. 
8. Februar. Der Pariser „Temps“ bestätigt, daß Frankreich 
dem Dekrete des Khedive über die Abschaffung der Fronden 
zugestimmt habe, doch fehle noch eine Einigung darüber, wer in 
Zukunft die Arbeit der Fellahs leisten und mit welchen Mitteln 
diese Arbeiten bezahlt werden sollten. Frankreich sei gegen die Ent- 
nahme dieser Summen aus den Loskaufsgeldern vom Militärdienste, 
denn diese gehörten dem Heere, das fie nötig brauche, wenn es neu 
organisiert worden und die englische Okkupation einmal aufgehoben sei. 
11. Februagr. Das „Journal des Débats“ bemerkt zu den 
Vorschlägen Sir Drummond Wolffs bezüglich der Neutralisie- 
rung Aegyptens (vgl. Großbrit. II. 10.): 
„Wenn man den Fall setze, Frankreich oder Deutschland erhielten 
durch einen feierlichen Vertrag das Recht, die belgische Armee zu befehligen, 
das Recht, Belgien mit einer Heeresmacht zu durchziehen, das Recht, im 
Fall eines Aufruhrs Antwerpen, Brüssel und Lüttich zu besetzen, so erhalte 
man annähernd die richtige Vorstellung von der Art der Neutralität, welche 
England Aegypten zugedacht habe. In Frankreich nenne man dieß ein 
Protektorat. Das genannte Blatt meint, die Türkei dürfte einer so seltsamen 
Neutralität den status quo vorziehen, der ihr den Ellbogen frei lasse. 
Die „France“ von demselben Tage sagt: 
Die englische Regierung hat sich endlich entschlossen, einen Vorschlag 
zur Regelung der ägyptischen Frage abzufassen. Nachdem es ihr nicht ge- 
lungen ist, den Krieg in Europa zum Ausbruch zu bringen, nachdem ihr 
Projekt der Erhebung auf Kandia gescheitert ist, trotz all der Anstrengungen 
des englischen Konsuls, der durch die Agenten Rußlands, Frankreichs und 
Griechenlands lahmgelegt wurde, hat fie alle ihre Einschüchterungsmittel er- 
schöpft. Nun greift sie zu ihrem Lieblingsvorgehen: der Verzögerung 
Alles, was die englische Regierung durch Sir H. Dr. Wolff vorschlägt, wird
	        
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