Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 2.—5.) 109 
Das einzige Ergebnis einer solchen Agitation kann nur sein, daß die Welfen 
davon Vorteil ziehen. 
Immer entschiedener treten die Differenzen innerhalb der kon- 
servativen Partei zu Tage. In ihrer Fehde mit der „Kreuzzeitung“ 
nimmt die „Konservative Korrespondenz“ das Wort zu folgender 
scharfer Auslassung: 
„Wir können nicht in Abrede stellen, daß innerhalb der konservativen 
Presse nicht bloß „angebliche", sondern tatsächliche Meinungsverschieden- 
heiten wirklich bestehen. Wir können beispielsweise, wenn die „Kreuzzeitung“ 
in wegwerfendster Weise von einem „Kartellstall“ und von „.Kartellträu- 
mereien" spricht, nicht erklären, daß diese Ausdrucksweise die Ansicht und 
den Geschmack aller Konservativen trifft, und wir können ebensowenig, wenn 
dieses Blatt einen Artikel zum Abdruck bringt, in welchem von dem be- 
ginnenden „Mißtrauen des kleinen Mannes gegen die konservativen Führer“ 
die Rede ist, dem politischen Publikum vorreden, daß wir ein derartiges Ver- 
halten eines konservativen Blattes für korrekt und erfreulich halten."“ 
2. Juli. Der „Reichsanzeiger“ meldet die Ernennung des 
Unterstaatssekretärs Herrfurth zum Staatsminister und Minister 
des Innern. Bei dieser Ernennung bemerkt die „Kreuzzeitung“ mit 
Bezug auf ihre Wünsche für Wiederberufung Herrn v. Puttkamers: 
„Aus diesen Wünschen haben wir unsererseits nie ein Hehl gemacht 
und tun es auch heute nicht. Da es nun aber einmal nicht „hat sollen 
sein“, so stehen wir nicht an zu erklären, daß uns nach Lage der Dinge die 
Ernennung des Herrn Herrfurth die weitaus genehmste ist." 
4. Juli. Der jüngst zum General-Feldmarschall ernannte 
Prinz Georg von Sachsen erhält die 2. Armee-Inspektion. Zu 
dieser tritt durch Kabinetts-Ordre noch das VI. Armeekorps. 
4. Juli. (Minister v. Puttkamer.) Die drei konservativen 
Fraktionen des Reichstags, Herrenhauses und Abgeordnetenhauses 
haben an den früheren Minister des Innern v. Puttkamer eine 
Adresse gerichtet, welche nach der „N. Pr. Ztg.“ lautet: 
„Wir geben dem gemeinsamen Empfinden der Vertreter der konser- 
vativen Partei im Reichstage und preußischen Landtage Ausdruck, wenn wir 
Ew. Exzellenz aussprechen, daß es uns stets eine Freude war, Sie als Mit- 
glied der konservativen Partei an dem Platze zu wissen — von dem wir 
Sie jetzt mit tiefer Betrübnis scheiden sehen. Es ist uns ein Bedürfnis 
im Auftrage der Fraktionen — Ew. Exzellenz — dem tapferen Kämpfer 
gegen die Feinde der Grundlagen des monarchischen und christlichen Staates 
— dem umsichtigen und beredien Verfechter konservativer Prinzipien — und 
dem treuen Freunde der konservativen Sache — unsern tiefgefühlten Dank 
auszusprechen."“ 
5. Juli. (Baden: Kirchengesetz.) Nach längeren Kämpfen 
wird ein Gesetz vereinbart, dessen Hauptbestimmungen sind: 
Die Kirchen sind befugt, Anstalten zur theologisch-praktischen Vor- 
bildung der künftigen Geistlichen zu unterhalten. 
Desgleichen sind sie befugt, Pensionsanstalten (Konvikte) für solche zu
	        
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