116 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (August 1.—8.)
1. August. (Rektoratswahl.) Die Berliner Universität
wählt Professor Gerhardt gegen Virchow zum Rektor.
2. August. (Polnische Adresse.) Die Adresse an den Hoch-
seligen Kaiser, deren Beantwortung durch das Staatsministerium
oben (VII. 20) mitgeteilt, wird jetzt vom „Dziennik“ und „Kuryer"“
veröffentlicht. Dieselbe hat folgenden Wortlaut:
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König!
Allergnädigster Kaiser, König und Herr!
Als die Kunde von dem Heimgang Ew. Majestät Hochseligen Herrn
Vaters, des ruhmgekrönten Kaisers und Konigs und von der unter so schwerer
Prüfung Gottes erfolgten Thronbesteigung Ew. Mjestät die Herzen Aller-
höchst Ihrer Unterthanen aufs tiefste bewegte, haben auch Ihre getreuen
Unterthanen polnischer Nationalität in den Adressen des Reichstages, sowie
denen beider Häuser des Landtages der Monarchie ihrem Gefühle allerunter-
thänigsten Ausdruck an den Stufen des Thrones niedergelegt. Wenn die
Unterzeichneten noch heute denselben Gefühlen wiederholten Ausdruck zu geben
wagen und noch besonders Ew. Majestät Thron zu nahen, so geschieht es,
um aus freudig bewegtem Herzen aussprechen zu dürfen, einen wie dankbaren
und wohltuenden Wiederhall das Königliche Wort, wie alle Unterthanen
gleich nahe dem Herzen Ew. Majestät stehen, auch bei Allerhöchst Ihren
getreuen Unterthanen polnischer Nationalität gefunden hat. Möge es uns
zugleich vergönnt sein, in dem huldreichen Erscheinen Ihrer Majestät unserer
Allergnädigsten Kaiserin und Königin inmitten unseres vielfach schwer ge-
prüften Landesteiles eine Betätigung des Vertrauens zu sehen, welches allen
Ihren Unterthanen entgegenzubringen Ew. Majestät hochherzig ausgesprochen
haben. Verschieden durch Abstammung und Sprache, vereinigten wir uns
alle in dem Vorsatze unverbrüchlicher Treue, dankbarer Hingebung für Ew.
Majestät und das gesamte Kaiserliche und Königliche Haus und in dem
heißen Gebete, daß Gottes mächtiger Schutz Ew. Majestät behüten, beschirmen
und Allerhöchstdemselben eine lange, gesegnete Regierung verleihen möge.
8. August. (Massauah.) Die „Nordd. Allg. Ztg.“ erörtert
den Artikel des „Nord“ über den französisch-italienischen Konflikt
betreffs Massauahs und wiederholt, daß die Initiative für die Stö-
rung des französisch-italienischen Einvernehmens auf französischer
Seite zu suchen sei.
Der überzeugendste Beweis dafür sei, daß Frankreich nicht das min-
deste eigene Interesse an der Sendung eines Konsuls nach Massauah, noch
an dem Proteste gegen das Vorgehen Italiens hatte. Frankreich habe bei
nur zwei in Massauah lebenden Franzosen, für welche unter gewöhnlichen
Verhältnissen sicherlich kein Konsul eingesetzt worden wäre, dort so gut wie
keine Handelsinteressen, und habe, indem es die in Massauah ansässigen
Griechen unter seinen Schutz nahm und zum Proteste gegen die Besteuerung
bewog, dabei nur den Wunsch haben können, sich an Italien zu reiben. Der
französische Streitvorwand sei offenbar ein gesuchter und weit hergeholter.
Der ganze Vorgang führe zum Schlusse, daß Frankreich unter den Mächten
diejenige sei, welche den geringsten Wert auf Erhaltung des europäischen
Friedens lege, im Gegenteile mit unverkennbarem Eifer keine Gelegenheit
vorübergehen lasse, um den Frieden zu stören.
8. August. (Militär-Kabinet.) General v. Albedyll