Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 10.) 127
wo Landgemeinden und selbständige Gutsbezirke örtlich gemeinsame öffent-
liche Aufgaben zu erfüllen haben, die Möglichkeit geboten werden muß, auch
beim Widerspruch der Beteiligten statutarisch gemeinsame Einrichtungen ins
Leben zu rufen.
Das Verlangen der evangelischen Kirche nach einer Dotation halten
wir, wiederholten Zusagen entsprechend, für ein gerechtes. Ebenso glauben
wir, daß der Staat in der Lage ist, solche Wünsche der evangelischen Kirche
auf eine freiere Bewegung zu erfüllen, welche durch deren geordnete Organe
ausgesprochen und ein Zusammenwirken von Staat und Kirche zu fördern
geeignet sind.
Wähler, das sind für die konservative Partlei die nächsten erstrebens-
werten Ziele. Wer diese Ziele mit verfolgen und im allgemeinen eine be-
sonnene Fortentwicklung unserer inneren Verhältnisse fördern will, schließe
sich uns an. Christentum, Vaterland, Monarchie, das ist und bleibt unser
Losungswort.
Berlin, den 8. September 1888.
Der Vorstand der konservativen Fraktion des Abgeordnetenhauses.
v. Rauchhaupt. v. Minnigerode. Grimm. v. Hammerstein. Korsch. Graf
Limburg-Stirum. v. Liebermann. Sack. v. Wedell-Malchow.
10. September. (Königin von Serbien.) Ein offiziöser
Artikel der „Nordd. Allg. Ztg.“ verteidigt die deutsche Presse gegen
die russischen Blätter, welche ihr eine ungalante und gehässige Hal-
tung gegen die Königin Natalie von Serbien zum Vorwurfe ge-
macht hatten.
„Eine kräftige Politik“, führt die „Nordd. Allg. Ztg" aus, „muß
von Sentimentalitäten unabhängig sein. Die Königin hat, 7 lange sie in
Belgrad gewesen, sich stets in öffentlicher Weise als Feindin Deutschlands
gezeigt und ausgesprochen. Sie hat aus ihrer feindseligen Gesinnung gegen
das deutsche Reich in einer mit ihrer Stellung und den internationalen Rück-
sichten ganz unverträglichen Weise kein Hehl gemacht. So hat die deutsche
Presse denn auch aus den jüngsten Vorfällen in Wiesbaden Anlaß genommen,
eine Tatsache in Erinnerung zu rufen, wonach sich im Jahre 1886 die
Königin gegen den französischen Marquis Flers mit Ausdrücken besonderer
Freude über die schamlosen Beleidigungen ausgesprochen hat, welche in dem
berüchtigten Pamphlet „Société de Berlin“ gegen die allerhöchsten und höchsten
Personen enthalten waren. Es darf ferner daran erinnert werden, daß dieses
offene feindselige Verhalten der Königin deutscherseits in Belgrad amtlich
zur Sprache gekommen ist, ohne daß die getanen Schritte von Erfolg be-
leitet waren. Umgekehrt hat der König, so weit sein Einfluß reichte, die
efreundeten Beziehungen zwischen Deutschland und Serbien vollkommen be-
rücksichtigt und gewürdigt und es tief beklagt, daß er nicht in der Lage war,
dem feindlichen Auftreten der Königin gegen das befreundete Reich Zügel
anzulegen. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, daß das deutsche Reich
und dessen politische Faktoren keinen Anlaß haben, der Königin Freundlich-
keiten oder gar Unterstützungen zu gewähren; denn in der Politik ist es ein
altbewährter Grundsatz, mit gleicher Entschlossenheit der Freund seiner Freunde
und der Feind seiner Feinde zu sein. Daß unter den letzteren sich königliche
Frauen mit königlichem Titel befinden, ändert hieran nichts. Das pflicht-
gemäße Gebot der Politik macht es notwendig, in dieser Hinsicht keinen
Unterschied im Geschlecht und Rang eintreten zu lassen. Auch Kaiserin Eu-
genie ist seinerzeit eine der schönsten und liebenswürdigsten Frauen gewesen,
es würde aber an Landesverrat gestreift haben, wenn man diesen Vorzügen