Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 28.) 157
kaiserlichen Erwiderung gebeten. Derselbe, in indirekter Rede dem
Magistrat mitgeteilt, lautet:
„Allerhöchstdieselben danken herzlich für das dargebotene Geschenk,
und nehmen dasselbe gern entgegen. Es gereiche Ihnen zu freudiger Genug-
tuung, daraus zu ersehen, wie die Teilnahme der Berliner Bürgerschaft ihn
begleite, wohin auch die Aufgaben seines kaiserlichen Berufes ihn führten.
Seine Majestät freuten sich um so mehr, dies an dem heutigen Tage aus-
sprechen zu können, als Sie soeben einer schönen Feier beigewohnt hätten,
der Einweihung einer neuen Kirche, deren Bau von dem lebhaftesten Interesse
Seines Vaters verfolgt und gefördert wurde, zu deren Erbauung auch die
Stadt Berlin beigetragen. Seine Majestät hofften und wünschten, daß solche
Feier sich recht oft in Berlin wiederholen möge.
Auf Allerhöchst Ihrer Reise habe Se. Majestät zu Ihrer großen
Freude überall die Wahrnehmung gemacht, wie dem deutschen Reiche auch
von den fremden Fürsten und Völkern eine warme Sympathie entgegen-
gebracht würde, und daß diese Teilnahme sich auch auf die Reichshauptstadt
Berlin mit erstrecke.
Allerhöchstdieselben könnten aber nicht umhin, auch einer recht schmerz-
lichen Erinnerung aus Ihrer Reise Ausdruck zu geben. Während Sie Ihre
Gesundheit und alle Kräfte eingesetzt hätten, um durch Anknüpfen von
Freundschafts-Banden den Frieden und die Wohlfahrt des Vaterlandes und
auch damit der eigenen Hauptstadt zu sichern, hätten die Tagesblätter Seiner
Haupt= und Residenzstadt die Angelegenheiten Seiner Familie in einer Art
und Weise an die Öffentlichkeit gezogen und besprochen, wie sich ein Privat-
mann das nie würde haben gefallen lassen. Seine Majestät seien dadurch
nicht nur schmerzlich berührt, sondern Allerhöchst Ihr Unwille sei dadurch
erregt worden. Vor allem bäten Seine Majestät sich aus, daß das fort-
dauernde Zitieren Allerhöchst Ihres seligen Vaters gegen Ihre Person endlich
unterbleibe. Es verletze Ihn als Sohn auf das Tiefste und sei unpassend
im höchsten Grade. Er gebe Sich der Erwartung hin, daß wenn Aller-
höchstdieselben Berlin zu Seiner hauptsächlichen Residenz wähle — und Ihn
als ein Berliner ziehe es immer hierher — man davon absehen werde,
intime Beziehungen Seiner Familie zum Gegenstand der Erörterung in der
Presse zu machen. Die Aufgaben, welche Fürst und Volk vereinten, um
unser Vaterland groß und glücklich zu machen, seien bedeutend und mannig-
fach genug, um sich mit voller Wärme ihnen hinzugeben und sich mit ihnen
zu beschäftigen und alle anderen Dinge, wie vorerwähnte, ruhen zu lassen.
In der treuen Hingabe für diese hohen und erhabenen Ziele sollte man sich
vereinigen und seine Kräfte gebrauchen, und Allerhöchstdieselben vertrauten,
daß die Vertreter der Stadt Berlin, welche heute begrüßen zu können Sr.
Majestät zur besonderen Freude gereiche, hierzu an ihrem Teile mitwirken
würden.“
Die „Freisinnige Zeitung“ meint, verglichen mit der ursprüng-
lich in der Presse nach dem Gedächtnis der Teilnehmer der Depu-
tation wiedergegebene Fassung ergebe sich, daß die beiden Sätze in
dem authentischen Text in Bezug auf das Zitieren des Kaisers
Friedrich gegen den Kaiser Wilhelm neu seien.
In den Besprechungen, die der authentische Wortlaut alsbald
in den verschiedenen Parteiorganen findet, zeigt sich, daß jede Partei
denselben zu ihren Gunsten auszulegen bemüht ist. Während der