Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

208 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Januar 17.—18.) 
Unfähigkeit der slowenischen Sprache zu den fraglichen Eintragungen mangels 
jeder juristischen Terminologie nach und weil das künstlich geschaffene und 
in der Schule gelehrte Neuslowenisch von der überwiegenden Mehrheit der 
slowenischen Bevölkerung gar nicht verstanden werde, also tatsächlich gar 
keine landesübliche Sprache sei; der Erlaß des Ministers stelle auch einen 
völlig ungerechtfertigten Eingriff in den Kreis der Landesgesetzgebung dar 
und bilde in seiner irrigen Beziehung auf ältere Erlasse durch die völlige 
Außerachtlassung des Unterschiedes zwischen einem Prozesse und einer richter- 
lichen Entscheidung einer- und einer im öffentlichen Grundbuche eingetragenen 
Urkunde andrerseits ein Korollar aus Vorschriften, die nie erlassen würden, 
und befehle zu vollziehen, was nie früher angeordnet sei. Der Erlaß übe 
die strengste Kritik an sich selbst durch den Schleier des Geheimnisses, mit 
dem seine Hinausgabe umhüllt sei, die dadurch, daß sie den Parteien gewiss 
Rechte einräume, die Veröffentlichung nicht bloß vertrage, sondern geradezu 
herausfordere. 
17. Januar. (Böhmen: Jungtschechische Fortschritte.) 
Bei der Reichsrats-Ergänzungswahl in Kuttenberg siegt der Jung- 
tscheche Advokat Dr. Herold über den alttschechischen Gegenkandidaten. 
Kuttenberg ist der dritte von den 4 seit der Reorganisation des 
Tschechenklubs (vgl. Gesch.-Kal. 1887 V. 18) zur Erledigung gelangten alt- 
tschechischen Reichsratssitzen, welcher von den Jungtschechen erobert wird. 
18. Januar. (Die Polen und die kriegerische Span- 
nung.) 
Auf Grund der in der Konferenz der polnischen Zeitungsredakteure 
gefaßten Beschlüsse veröffentlichen die bedeutenderen polnischen Blätter gleich- 
lautende Artikel, in denen die polnische Jugend in Rußland angesichts der 
Provokationen verdächtiger Emissäre vor der Betätigung revolutionärer An- 
wandlungen und vor jedem unbedachten, die polnische Sache kompromittie- 
renden Schritte eindringlich gewarnt wird. 
Am nämlichen Tage bringt die „Riforma“ folgende Betrach- 
tung über das Verhalten der Polen gegenüber einem Kriege mit 
Rußland: 
Dieses Verhalten hängt von den Absichten ab, welche die verbündeten 
Mächte bezüglich Russisch-Polens im Falle eines Sieges über Rußland haben. 
Allerdings wird jeder galizische Soldat seine Pflicht tun. Allein wir sprechen 
vom Enthusiasmus sämtlicher Polen, von der Solidarisierung der polnischen 
Nation mit Österreich. Soll im Falle eines Sieges das linke Weichselufer 
Preußen zufallen, wodurch eine neue Teilung Polens entstünde, dann könnte 
von einem opferwilligen polnischen Enthusiasmus keine Rede sein, dann würden 
die Polen den Ausgang des Krieges ruhig abwarten und ihre Kräfte für 
eine spätere bessere Zeit schonen, ja sogar gegen die neue Teilung protestieren. 
Da die gegenwärtige Verwicklung eine notwendige Folge der Teilung Polens 
sei, indem Rußland seither eine europäische Macht und ein Europa belästigen- 
der Koloß geworden ist, muß die Ursache des Übels entfernt und Rußland 
hinter den Dniepr zurückgedrängt und von Europa abgegrenzt werden. Dies 
muß das Ziel eines österreichisch-russischen Krieges sein. Den Polen muß 
diesbezüglich eine Bürgschaft gegeben werden, damit sie sich mit Österreich 
solidarisch erklären. Die Beschaffenheit dieser Bürgschaft läßt sich jetzt nicht 
näher angeben. Wir können jedoch im Namen der ganzen Nation erklären, 
daß jeder polnische Aufstand ein Ruin für die Nation wäre, daß aber ein 
 
	        
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