226 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 9.—10.)
zuläßt; aber man sollte füglich annehmen, daß außer dem Kaiser von Ruß-
land auch noch unser Ministerpräsident in den Vertrag eingeweiht sei. Dann
aber erscheint mir seine Regierungsweise um so unbegreiflicher, da sie alles
eher getan hat, als dieses Bündnis zu befestigen. Ob nun schiebend oder
geschoben, von Schritt zu Schritt hat diese Regierungspolitik, welche mit dem
Bestande des Bündnisses begann, unter dem Schutze dieses Bündnisses alles
getan, um unser Österreich seines deutschen Charakters zu entkleiden. Die
Regierung muß es sich daher selbst auf ihr Kerbholz schreiben, wenn wir
diesem Taaffeschen Staate kein Vertrauen entgegenbringen (Bravo! links) und
wenn wir uns sagen, daß das, was wir uns für bessere Tage zu bewahren
haben, unser Volkstum ist.
Die Deutschen verzweifelten an dem Bestande eines Österreich mit
slawischer Tendenz, nie und nimmer könne Deutschland ein zweites Rußland
an seiner Grenze dulden. Die Tschechen müßten sich mit den Deutschen ver-
tragen lernen. Seit dem Friedensinstrumente vom 7. Oktober 1879 sei
Österreich in gewissem Sinne wieder ein deutsches Bundesland geworden
(Bravo, bravo! links), und es als solches auszubilden und auszugestalten,
dazu böten sie gern ihre Hand. Dieser Friedensbund sei nur der erste Schritt
zu fortdauernder gemeinsamer Friedensarbeit und eine solche erschließe sich
aus dem vorliegenden Handelsvertrage. Beide Reiche, die nicht bloß politisch,
auch wirtschaftlich auf einander angewiesen seien, müsse eine Zolleinigung
verbinden, deren Schlußstein eine Zolldelegation beider Staaten bilden würde.
„Vorläufig sind das wohl lauter fromme Wünsche, aber schon größere Dinge
sind in der Weltgeschichte zum Ziele geführt worden. Der Handelsminister
sollte diese Idee wirksam vertreten, wenn er sich damit nur beschäftigen will."
Unter dieser Bedingung will Redner für die Vorlage stimmen. (Beifall auf
der äußersten Linken.)
Auch Menger (deutsch-österreich.) tritt für die Zolleinigung ein. Das
sei keine Utopie, sondern statistische und volkswirtschaftliche Materialien
zeigten die Erfüllbarkeit dieses Wunsches. Schon Metternich, dann Kübeck
und Bruck hätten diesen Plan ins Auge gefaßt. Der größte Staatsmann
der Gegenwart habe diese Idee als ein zu erstrebendes Ideal dargestellt.
Wirtschaftslehrer, wie Haupt und Schäffle, hätten ihre Stimme dafür er-
hoben. Redner sucht dann im einzelnen die Möglichkeit dieser Zolleinigung
darzutun: die zerrissenen Grenzen beider Reiche würden eine Ausgleichung,
die Verkehrswege eine viel ausreichendere Benutzung erfahren, Donau und
Elbe sich beleben. Ein prinzipieller Gegensatz in dem handelspolitischen
Systeme beider Reiche sei nicht vorhanden; der Schutzzoll sei günstig für
Österreich gewesen, seine Spitze aber gegen die englische Konkurrenz gerichtet;
da auch Deutschland das gleiche System habe, könne die Vereinigung empfohlen
werden, die überdies das Interesse der Landwirtschaft und des Grenzverkehrs
fordere. Das Konsularwesen werde zugleich alsdann eine fruchtbarere Ent-
wicklung und leichtere Handhabung gewinnen. Für Österreichs politische
Unabhängigkeit sei nichts zu fürchten, nationale Antipathien unter den heu-
tigen Verhältnissen müßten zum Schweigen gebracht werden. „Sie, meine
Herren, haben, wenn Sie andere Empfindungen hatten, bei der Publikation
des deutsch-österreichischen Allianzvertrages sich doch zugestehen müssen,
wenn Sie sich nicht selbst täuschen wollten, daß jenes Urteil gerechtfertigt
war, welches seinerzeit bei der Nachricht von dem Abschlusse des Allianz-
vertrages ein englischer Minister ausgesprochen hat: „Es ist heute Heil und
Segen der Welt widerfahren.“ Heil und Segen im allgemeinen und ganz
besonders für die Völker Österreichs. Wollen Sie erwägen, wie die Situation
wäre, wenn der Bundesvertrag nicht geschlossen worden wäre. Früher ängst-
liche Sorge um den Krieg, die Besorgnis, daß Österreich nur mit dem Auf-