Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 9.—10.) 227
wande aller Kräfte und ohne Aussicht auf Erfolg einem Kriege entgegen-
treten könne. Derzeit sind die Aussichten auf den Frieden immer mehr durch
das große Wort des großen Kanzlers gesteigert, so daß die feinfühligsten
Organe es aussprechen, die Aussichten auf den Frieden haben sich gehoben.
Und wenn es, was Gott verhüten möge, zum Kriege käme, so hat Öster-
reich seit der Koalition gegen Napoleon nicht so viele Aussichten auf Erfolg
gehabt, wie jetzt. (Beifall auf der äußersten Linken.) Trotzdem gebe ich mich
nicht der Täuschung hin, daß nicht zahlreiche Antipathien gegen einen solchen
Plan ausgesprochen werden könnten. Da sind zunächst die Tschechen, welche
einer solchen Vereinigung entgegenstehen. Aber die Zeiten ändern sich, und
es müssen sich auch die Anschauungen ändern. Ich weiß, daß das Herz sehr
viele Tschechen nach dem Osten zieht. Ihre Kultur aber sollte sie den west-
lichen Kulturvölkern zuführen, denn sie können mit den östlichen Völkern nur
eine wilde Ehe schließen, mit den westlichen aber eine Vernunft-Ehe. Es
scheint mir auch, daß die Polen mit der Zeit vorziehen werden, ihren Frieden
mit den Deutschen zu machen, und unter solchen Verhältnissen, glaube ich,
wäre es die schönste Aufgabe unseres Handelsministers, rechtzeitig das stati-
stische Material zu sammeln, um einer solchen Zoll-Einigung vorzuarbeiten.“
(Beifall links.)
Türk (Antisemit) begrüßt das deutsche Bündnis nicht bloß, weil nun
eine wirtschaftliche Einigung mit Deutschland leichter möglich sei, sondern
weil nun auch die Hoffnung gegeben sei, daß die Ostseeländer im Falle eines
Krieges mit Rußland wieder mit Deutschland vereinigt werden könnten.
Der Handelsminister Marquis v. Bacquehem erklärt, daß der Ver-
such, einen Tarifvertrag mit Deutschland zu schaffen, bisher unausgeführt
geblieben sei, da die Schwierigkeiten, welche sich demselben entgegenstellten,
bisher noch nicht zu beseitigen waren. Deshalb glaube er, auch heute nicht
zu den handelspolitischen Anregungen Stellung nehmen zu können, über
deren wirtschaftliche Konsequenzen, abgesehen von den aus dem dermalen
geltenden europäischen Handelsrechte sich vielleicht ergebenden formalen Schwie-
rigkeiten, erst noch sorgfältige Erhebungen nötig sind. „Bis zu dem Zeit-
punkte, wo es möglich sein wird, die Verhandlungen wegen Ordnung unserer
handelspolitischen Beziehungen zu Deutschland auf breiterer Grundlage auf-
zunehmen, soll der gegenwärtige Stand der vertragsmäßigen Abmachungen
unverändert fortbestehen.“ Wann jener Zeitpunkt gegeben sein wird, darüber
sei es jetzt noch unmöglich eine Andeutung zu machen.
Min.-Präsident Graf Taaffe beruft sich darauf, daß er bereits im
Amte war, als das deutsch-österreichische Bündnis abgeschlossen wurde, er
also kein Gegner desselben sein könne. Unter seiner Präsidentschaft aber
habe sich das Bündnis nunmehr in 9 Jahren gekräftigt und gefestigt, und
er hoffe, daß das noch auf lange Zeit hinaus so sein werde.
Abg. v. Chlumecky (deutsch-österreich.) wendet sich gegen die Mög-
lichkeit einer Zollunion, das könne nur unter Preisgebung der österreichischen
Industrie geschehen; man könne nur einen Tarifvertrag, der möglichst viele
Positionen binde, anstreben und für den Grenzverkehr eine besondere Regelung
durch Differentialsätze. Dies sei ein erreichbares Ziel und der Weg zu dem-
selben vom Abbruche tarifvertragsmäßiger Beziehungen im Jahre 1877 doch
wohl weniger weit, als von den Ereignissen des Jahres 1866 bis zu dem
Bündnisse von 1879.
„Es kann hier meine Aufgabe nicht sein, eine große politische Er-
örterung über die auswärtigen Beziehungen unserer Monarchie zu halten;
aber unterlassen kann ich es nicht, der hohen Befriedigung Ausdruck zu geben,
welche sich eines jeden österreichischen Patrioten bemächtigen mußte, als er
aus der Publikation des Vertrages vom Jahre 1879 und noch mehr aus
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