228 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 9.—10.)
dem denkwürdigen Kommentare, welchen der Kanzler des deutschen Reiches
in seiner jüngsten Rede dazu gab, die festen und unerschütterlichen Grund-
lagen erkennen konnte, auf welchen unser freundschaftliches Verhältnis zum
deutschen Reiche beruht (lebhafter Beifall links), nämlich die beiderseitige
Erkenntnis des Wertes, ja der Unentbehrlichkeit der Allianz für jeden der
Paciszenten zum Schutze seiner wichtigsten Interessen und zum Schutze der
europäischen Machtstellung und der vollen Wahrung seiner eigenen staatlichen
Selbständigkeit. (Lebhafter Beifall links.) Ist diese Unentbehrlichkeit aber
festgestellt, wie dies in jener denkwürdigen Rede in geradezu kristallheller
Weise nachgewiesen wird, dann gewinnt der publizierte Allianzvertrag eine
Bedeutung weit über seinen Inhalt hinaus. (Sehr richtig! links.) Neben-
bei bemerkt, halte ich es aber dann um so weniger für angezeigt, einen
solchen hochernsten Vertrag zum Gegenstande einer parlamentarischen Demon-
stration zu machen (Beifall links), und dies in einer Form, wo das beab-
sichtigte Ziel mir — staatsrechtlich wenigstens — ganz unverständlich ist.
(Sehr richtig! links.
Aus jener Feststellung aber folgt nach meiner Überzeugung mit
zwingender logischer Konsequenz, daß kein Teil die Preisgebung vitaler In-
teressen seines Alliierten und die Verminderung der Machtstellung desselben
in Verteidigung solcher — wirklich vitaler, nicht eingebildeter — Interessen
jemals zugeben kann, und darin finde ich die große Bedeutung der letzten
Emanation.
Und so sehen wir die Entwicklung eines großen historischen Prozesses
vor uns: Deutschland und Österreich wieder innig vereint zur Verteidigung
ihrer legitimen Interessen, zur Verteidigung des Friedens und zur Abwehr
gegen jeden ungerechtfertigten Angriff, Deutschland und Österreich also als
innig Alliierte, den Kernpunkt einer europäischen Friedens-Liga bildend: das
ist das erfreuliche Bild der jüngsten welthistorischen Publikation, das ist es,
was unsere hohe Befriedigung um so mehr erweckt, als damit der öster-
reichischen Politik jene Zielpunkte gegeben scheinen, die von uns jederzeit
als die richtigen bezeichnet worden sind (lebhafte Zustimmung links), und
zum Teile schon zu einer Zeit, wo dieser Gedanke noch nicht Gemeingut aller
denkenden Politiker war. Ich bin der Überzeugung, daß dieses enge poli-
tische Freundschaftsbündnis auch eine wirtschaftliche Annäherung herbeiführen
oder doch wesentlich fördern kann.
Bevor ich aber diesen Gedanken mit einigen Worten ausführe, möge
es mir gestattet sein, ein Wort des Dankes auszusprechen, welches an Mil-
lionen Lippen hängt, ein Wort des Dankes an den erhabenen Träger der
Krone, dessen hoher Weisheit es gelungen ist, die österreichische Politik in
diese Bahnen zu lenken. (Beifall links.) Es geziemt wohl auch, an dieser
Stelle in dankbarer Erinnerung jenes genialen Staatsmannes zu gedenken,
welcher zum Abschlusse seiner damaligen staatsmännischen Tätigkeit diesen
Vertrag zu stande gebracht hat, sowie nicht minder dem Leiter der auswär-
tigen Angelegenheiten die volle Anerkennung dafür auszusprechen, daß er
diesen Vertrag bis zum heutigen Tage unangetastet erhalten und befestigt
und ihm in dem gegenwärtigen schwierigen Augenblicke die volle Tragfähig-
keit zu bewahren gewußt hat.“ (Lebhafter Beifall links.)
Herold (Jungtscheche) nennt die bisherige Debatte eine politisch un-
kluge, nationalverhetzende Demonstration, welche dem veröffentlichten Bünd-
nisvertrage eine Auslegung und Tendenz gebe, mit denen die überwiegende
Mehrheit der österreichischen Völker nie und nimmer einverstanden sei. Man
verlange, mit Deutschland in einen staatsrechtlichen Verband zu treten, wel-
cher eine Degradierung Österreichs als Großmacht bedeute. (Stürmischer
Widerspruch links, Rufe: so ist es! rechts.) Diese Monarchie hat keinen