Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 9.—10.) 229
deutschen Charakter (Erneuerung des Widerspruchs und der Zurufe) und
wird ihn nie haben, solange sie eine Mehrheit slawischer Bevölkerung hat.
Die Slawen aber seien bedrängt und die Freunde Deutschlands möchten von
diesem das Beispiel der Autonomie der einzelnen Teile auf Österreich über-
tragen. „Ich möchte nur für unser Königreich Böhmen wünschen, daß wir
dieselbe Autonomie wie das Königreich Sachsen hätten.“ (Stürmisches Ge-
lächter links, Ruf: Und auch einen König Johann dazu! Beifall rechts.)
Wenn Menger für die Zollunion die Bestrebungen Metternichs und Brucks
angeführt habe, so sei Österreich damals ein deutscher Bundesstaat mit der
Suprematie in diesem Bunde gewesen und von Italien gehörten erhebliche
Teile zu ihm, andere standen in seiner Abhängigkeit. Da wäre es natürlich
gewesen, dieses Verhältnis noch durch eine Zollunion zu festigen; heute
liegen die Dinge anders. Die Lage der polnischen Brüder in Deutschland
könne wahrlich kein Grund für die Slawen Österreichs zu der vom Abg.
Menger empfohlenen Vernunftehe mit Deutschland sein. (Zuruf: Und Rus-
sisch-Polen?) „Wir sind bei uns nicht so enthusiasmiert für den deutsch-
österreichischen Vertrag, nicht weil wir ihn nicht als Grundlage der heutigen
Friedensliga betrachten wollten, sondern deshalb, weil wir nicht die Über-
zeugung haben, daß Deutschland mittels dieses Vertrages den Frieden will
und den Frieden erhalten will... Das steht fest, daß wir wenigstens zu
einem staatsrechtlichen Verhältnisse mit Deutschland nie und nimmer unsere
Einwilligung geben werden. Wer will, daß Österreich ein selbständiger und
mächtiger Staat sei und bleibe, wird sich diesem Vertrage nie anschließen
und ich glaube auch, daß, solange es eine österreichische Regierung und ein
österreichisches Parlament gibt, der Antrag Knotz nie und nimmer ratifiziert
werden wird.“ (Bravo rechts.)
Neuwirth (deutsch-österreich.) erwidert Herold, Österreich sei auch
früher eine Großmacht gewesen als deutscher Bundesstaat und werde es auch
bei einer engern Verbindung mit Deutschland stets bleiben; beide vertrag-
schließenden Träger der Krone täten ja in dem Bündnisse selbst die Äuße-
rung, daß sie durch dasselbe ihre Pflichten leichter und wirksamer in Zukunft
zu erfüllen gedächten, ähnlich wie in dem früher bestandenen Bundesverhält-
nisse. Wenn Herold für Böhmen eine Autonomie ähnlich der Sachsens in
Anspruch nehme, so erwidere er: Deutschland schließe heute seine Bündnisse
auch für Sachsen; noch sei Österreich kein Bundesstaat, noch habe es keine
verbündete Regierung in Böhmen wie der deutsche Kaiser in Sachsen. Denn
noch gebe es einen Kaiser von Österreich, der zufällig selbst König von
Böhmen sei. Dann führt Redner aus, daß eine Zollunion zwischen Deutsch-
land und Österreich-Ungarn unmöglich sei; letzteres produziere in Wahrheit
nicht Getreide mehr um Deutschlands Ausfall decken zu können, wenn dieses
seine Grenzen gegen Amerika und Rußland sperre. Der Erzeugungsüber-
schuß bestehe nur in einem Minderverbrauche unter dem Normalen — ein
trauriges Zeichen des Volkswohlstandes. Wohl habe Bismarck die Zollunion
selbst einmal als ein Ideal hingestellt, aber Ideale hätten gemeiniglich das
Eigne, nicht erreichbar zu sein und schließlich sei Bismarck nach seiner Reichs-
tagsrede vom 16. III. 1885 selbst von der Hoffnung auf Durchführbarkeit
dieses Zollbundes zurückgekommen. Dann weist Redner die technischen
Schwierigkeiten nach, welche diese Union unmöglich machten. Zwischen zwei
selbständigen Produktionsgebieten, die Großstaaten bilden, von denen das
eine — das deutsche Reich — eine aktive, das andere — Österreich — eine
passive Zahlungsbilanz hat, und von denen das eine obenein — nämlich
Österreich — des andern Schuldner sei, könne es nie eine Zollunion geben,
ohne daß die Zahlungsbilanz des stärkern dauernd noch aktiver, die des
andern dauernd noch passiver werde. Schließlich wendet sich Redner gegen