Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

230 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 13. 2. Hälfte.) 
die Freihandelsbestrebungen als in der Zeit allgemeiner Schutzzollpolitik aller 
Staaten für Österreich undurchführbar. 
Auch der Berichterstatter Freiherr v. Schwegel spricht sich im 
Schlußworte gegen die Möglichkeit eines Zollbündnisses aus. 
Das Haus erteilt hierauf einstimmig dem vorgelegten Ver- 
trage, der eine einfache Verlängerung des bestehenden Verhältnisses 
mit einjähriger Kündigungsfrist enthält, seine Zustimmung. 
13. Februar. (Anarchisten.) Der Ausnahmegerichtshof in 
Wien verurteilt zwei der schon im vorigen Jahre (vgl. Gesch.-Kal. 
1887 III. 21—28) wegen Brandlegung u. a. Verbrechen verurteilten 
Anarchisten zu mehrjährigen Kerkerstrafen, weil dieselben vor ihrer 
gefänglichen Einziehung aus Rache für eine Denunziation über An- 
schlagung von Zetteln mit der Aufschrift „Hoch die Republik!“ 
einen Gasthof in Brand gesteckt hatten. In betreff des dritten Ange- 
klagten wird die Verhandlung behufs neuer Erhebungen vertagt. 
14. Februar. (Österreich.) Herrenhaus: nimmt das Ar- 
beiterkrankenversicherungsgesetz (vgl. Gesch.-Kal. 1887 III. 24) 
in der vom Abg.-Hause beschlossenen Fassung endgiltig an. 
Damit ist die Regelung der Krankenversicherung der land= und forst- 
wirtschaftlichen Arbeiter der Reichsgesetzgebung entzogen und der Landesgesetz= 
gebung zugewiesen. 
2. Hälfte Februar. (Österreich: Jungtschechischer 
Schulantrag.) Abg.-Hs.: Die Jungtschechen bringen einen vom 
Abg. Herold vertretenen eigenen Schulantrag ein. 
Der Entwurf bezweckt, den durch die bestehenden Gesetze dem Unter- 
richtsminister gewährten Einfluß auf die Volksschule künftig der Landesgesetz- 
gebung zuzuweisen. Dazu ist durchgehend der Gesichtspunkt festgehalten, daß 
auch die allgemeinen Grundsätze, nach denen alle Volksschulen einzurichten 
sind, gleichwohl der Regelung und näheren Bestimmung durch die Landes- 
gesetzgebung unterworfen sein sollen. 
Der Unterricht in der Volksschule soll einsprachig sein und als Unter- 
richtssprache die Muttersprache der schulbesuchenden Kinder gelten. In Län- 
dern, in welchen mehrere Landessprachen üblich sind, soll die Bürgerschule 
Gelegenheit bieten, diese Landessprachen zu erlernen. Der achtjährige Schul- 
unterricht soll nach einer allgemeinen Bestimmung des Entwurfes fortbestehen; 
doch bleiben darüber weitere Verfügungen der Landesgesetzgebung anheim- 
gestellt. Die Überwachung des Religions-Unterrichtes soll in der durch die 
Landesgesetze bestimmten Weise durch die Kirchenbehörden geschehen. Der 
Landesgesetzgebung werden auch Bestimmungen über Schulbefreiung und Schul- 
Erleichterungen überlassen, ebenso inwieferne der Besuch von Privat-, Fach- 
und Fortbildungsschulen den Besuch einer öffentlichen Volksschule ersetzt. In 
den Lehrer-Bildungsanstalten können mit Genehmigung der Landes-Schul- 
behörde andere lebende Sprachen als nicht obligate Gegenstände gelehrt werden. 
Der Dienst an öffentlichen Schulen soll zwar als öffentliches Amt für alle 
Staatsbürger gleich zugänglich sein, jedoch mit dem Beifügen, daß sie ihre 
Befähigung hiezu in der durch die Landesgesetze zu bestimmenden Weise nach- 
zuweisen hätten. Der Landesgesetzgebung soll ferner unter Aufrechthaltung
	        
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