Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 16. u. folgende Tage.) 231 
der als allgemeine Grundsätze im Gesetze bezeichneten Bestimmungen vorbe- 
halten bleiben: die Erlassung aller gesetzlichen Bestimmuugen zur Errichtung, 
Einrichtung, Leitung und Beausfsichtigung der öffentlichen und privaten all- 
gemeinen Volksschulen und Bürgerschulen, der Kindergärten und gewerblichen 
Fach- und Fortbildungsschulen, der Lehrer-Bildungsanstalten: die Feststellung 
der Bestimmungen über die Schul= und Unterrichts-Ordnung, Zulässigkeit der 
Lehr= und Lernmittel, Besorgung des Religions-Unterrichtes, über den Schul- 
besuch der öffentlichen Volksschulen, über Befähigung zum Lehramte, Fort- 
bildung und Rechtsverhältnisse der Lehrer; die Feststellung des für das 
gesamte Volksschulwesen notwendigen Aufwandes und der Art und Weise 
seiner Bedeckung, der Schulverwaltungs= und Aufsichtsorgane, ihres Wir- 
kunngskreises und ihrer Zusammensetzung. 
16. Februar und folgende Tage. (Kroatien.) Zu dem bevor- 
stehenden 50 jährigen Priesterjubiläum des Bischofs Stroß- 
mayer von Diakovar sandten eine große Anzahl slawischer Ab- 
geordneter des österreichischen Reichsrats an denselben eine von dem 
Slowenen Vitezic verfaßte Adresse, in welcher sie „den hochherzigen 
Apostel des erhabenen Gedankens der Vereinigung der Serben und 
Kroaten, den Stolz der ganzen slawischen Welt“ beglückwünschen. 
Der Bischof antwortet in einem Telegramm, in dem er 
Gottes Segen für die Ausführung „unserer" edlen und gerechten 
Absichten und Bestrebungen erfleht. 
Im Prager Stadtverordnetenkollegium beantragt der Stadt- 
rat die Ernennung Stroßmayers zum Ehrenbürger von Prag, wo- 
bei der Bürgermeister eine Gedächtnisrede auf den jüngst verstor- 
benen slawischen Agitator, Priester Hurban, hält, doch wird dieser 
Beschluß von der Statthalterei nicht genehmigt, da der Bischof nicht 
österreichischer Untertan sei. In Untersteiermark und Krain werden 
bei dieser Gelegenheit zahlreiche Kundgebungen des niedern Klerus 
zu Gunsten der slawischen Liturgie veranstaltet. 
Diese Kundgebungen rufen in der ungarischen Presse gereizte Erör- 
terungen hervor. Das Regierungsblatt „Nemzet“ meint, der Schritt der 
maßgebenden österreichischen Parlamentarier bedeute so viel, daß sie die Kon- 
stituierung eines südslawischen Reiches zum Schaden des Stephansreiches und 
der gegenwärtigen verfassungsmäßigen Organisation der Monarchie wünschen. 
Gegen eine solche Auffassung besitze Ungarn ein Recht der Bemängelung, 
denn sie sei vollständig unvereinbar sowohl mit den politischen Aufgaben, 
wie mit den konstitutionellen Pflichten einer auf dem Dualismus fußenden 
österreichischen Parlaments-Majorität. Wer den Dualismus akzeptiert und 
dennoch die südslawischen Aspirationen als nützliche Bestrebung bezeichnet, 
der wünscht zwei einander ausschließende Dinge und erweckt die Vermutung, 
daß eine der beiden Ansichten nur zur Maske dient oder daß mit ihr Komö- 
die getrieben wird; wenn die österreichischen Parlamentarier die großkroatischen 
Träume billigen, ihnen Erfolg wünschen, die Union der Kroaten und Serben 
verhimmeln, so verlassen sie, wenn diese Empfindungen ernste sind, tatsäch- 
lich den Boden des Dualismus, und alle ihre gegenteiligen Versicherungen 
erscheinen als unernst. Für solche Aspirationen kann kein Raum sein im
	        
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