232 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Februar 16. -17.)
Programme einer Partei, der die vitalen Interessen dieser Monarchie anver-
traut sind. Wenn auch ein offiziöses österreichisches Blatt gegen dieses Ge-
bahren Front gemacht, können dadurch nicht alle Besorgnisse zerstreut werden,
denn es ist nichts Geringes, wenn die Führer der Majorität sich mit den
unversöhnlichsten Feinden des ungarischen Staatsrechtes verbünden. Bei
allem Respekte vor der Selbständigkeit der inneren Entwicklung in Österreich
sehen wir mit großen und ununterbrochenen Besorgnissen dem entgegen, wo-
hin diese Zustände endlich führen werden.
In einem weiteren Artikel weist das Blatt auf den Panslawisten-
prozeß Zivny, der gleichzeitig in Wien verhandelt wird, hin und sagt: Wir
sind wirklich neugierig, ob die verantwortlichen Leiter des politischen Lebens
in Österreich jene Erscheinungen ohne Kundgebung ihrerseits vorüberziehen
lassen, wie die Kundgebung des Prager Stadtrates für Stroßmayer und
Hurban eine gewesen ist. Was die Verhimmlung Hurbans betrifft, so ist
dieselbe ein Beweis für die politische Unreife der Tschechen, die nur schwer
zu kommentieren sei. Wo ein Hurban so gefeiert wird, dort erstickt die
nationale Leidenschaft jede Regung des gesunden Urteils, und dort muß man
Acht darauf haben, daß diese Leidenschaft nicht auch in wichtigeren Dingen
zum Worte gelange, wo sie größeren Schaden anzurichten vermöchte als hier,
wo nur die eigene Reputation der Tschechen geschädigt wird.
Auch das offiziöse Wiener „Fremdenblatt“ wendet sich in scharfer
Polemik gegen den Stroßmayer-Kultus. Es schreibt:
Gedankenlosigkeit ist wohl der zahmste Ausdruck für die Stroßmayer-
Adresse eines Teiles des Abgeordnetenhauses. Eine geistige Verwandtschaft
ist ja zwischen dem Bischof Stroßmayer und Dr. Zivny nicht zu bestreiten.
Schon mit Hinblick auf Stroßmayers Verhältnis zur ungarischen Regierung
und zur Verfassung der andern Reichshälfte hätten die Herren unserer Majo-
rität eine Kundgebung unterlassen sollen, welche den Charakter der Demon-
stration annehmen mußte. Die Adresse hat allerdings den Bischof als den
Förderer der Kultur und der Wissenschaft gepriesen, aber die Persönlichkeit
des Jubilars läßt sich nicht nach den verschiedenen Richtungen seiner Tätig-
keit zergliedern. Der Bischof Stroßmayer hält die Fahne des Slawismus
hoch, kämpft gegen das ungarische Staatsrecht, und es steht hiesigen politischen
Parteiführern durchaus nicht zu, durch Demonstrationen in die Verhältnisse
jenseits der Leitha einzugreifen. Das Prager Stadtverordneten-Kollegium
war indessen weniger diplomatisch. Es feierte den lebenden Stroßmayer und
den verstorbenen Miroslav Hurban in Einem Atem als Slawenführer. Es
stellte sich bereits — wenngleich akademisch — auf jenen panslawistischen
Boden, auf dem sich die Jungtschechen mit Dreistigkeit umhertummeln und
auf dem sie es an Fanatismus mit allen Zivnys aufnehmen können.
16.—17. Februar. (Österreich: Gesetzentwurf über die
akademischen Vereine und Versammlungen). Abg.-Hs.:
Erste Lesung. Das Gesetz bezweckt eine wesentliche Einschränkung
des Vereins= und Versammlungsrechtes der Studierenden. Es wird
mit 159 gegen 52 Stimmen dem Schulausschusse zur Weiterberatung
überwiesen.
Die Verhandlungen finden unter großem Zudrange des Publikums,
namentlich von seiten der Studentschaft statt und es sind, um Ruhestörungen
zu vermeiden, außergewöhnliche polizeiliche Maßregeln getroffen worden, es
muß wiederholt gegen die mit Gewalt den Eintritt in das Haus zu erzwingen
versuchenden Menschenhaufen vor demselben eingeschritten werden. Die An-
griffe auf den Unterrichtsminister sind besonders von seiten der äußersten