Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Juli 29.) 267
und als solche eignet sich eine Sprache, welche vom zahlreichsten Volke ge-
sprochen wird und welche sich, ob mit Recht oder Unrecht, dessen bemächtigt
hat.“ Mattusch versicherte dagegen, daß er jederzeit dafür eintreten werde,
daß in den tschechischen Gebieten die tschechische Sprache zur inneren Amts-
sprache werde.
Die Jungtschechen verhehlen ihre Freude über den Verlauf jener Ver-
sammlung nicht. „Narodni Listy“ bezeichnen denselben als eine Niederlage
des Abgeordneten Mattusch und der alttschechischen Partei, „der wieder ein-
mal der Kamm geschwollen war“. In einer Parallele, welche das genannte
Blatt zwischen der Zustimmung zieht, die Abg. Herold kürzlich vor seinen
Wählern gefunden, und der ablehnenden Haltung der Melniker Versamm-
lung, erwähnen „Narodni Listy", Abgeordneter Herold habe am Schlusse
seiner Ausführungen gefragt: „Wer sind also die Komödianten?“ und don-
nernd schallte ihm der Zuruf entgegen: „Die alttschechischen Abgeordneten?!“
Jetzt zeige es sich klar, bemerkt das Blatt in einem zweiten Artikel, wohin
die nationale Sache in den Händen von Männern gelangt sei, welche seit
mehr als einem Vierteljahrhundert die Verantwortung für das nationale
Gedeihen an sich gerissen haben. Heute werfen sie bereits das letzte Feigen-
blatt, die nationale Gleichberechtigung, fort und anerkennen den deutschen
Standpunkt vom nicht gleichen Werte der Sprachen. Bis zur Schlacht am
Weißen Berge sei die tschechische Sprache die herrschende gewesen, erst die
Schlacht am Weißen Berge habe dem Vorrange der tschechischen Sprache ein
Ende gemacht und erst von da an wurde die deutsche Sprache der tschechischen
gleichberechtigt. Das Programm der sprachlichen Gleichberechtigung in den
böhmischen Ländern sei daher ein Erfolg der Sieger über das tschechische
Volk. Dieses Programm widerspreche dem tschechischen historischen Rechte
und dem nationalen Bewußtsein. Es sei dies ein Programm, welches kein
aufrichtiger Tscheche vor der Schlacht am Weißen Berge akzeptiert hätte. Es
müsse als der verhängnisvollste Fehler der tschechischen Wiedergeburt bezeichnet
werden, daß die bisherigen Leiter der tschechischen Politik die sprachliche
Gleichberechtigung als nationales Programm hingestellt haben, welche in
Böhmen niemals ein nationales Programm gewesen sei, weil sich das tsche-
chische Volk stets bewußt war, daß es der Schöpfer, Verfechter und Erhalter
dieses Königreiches sei. Die alttschechische „Politik“ behauptet gegenüber
diesen Angriffen, die Wähler des Abgeordneten Dr. Mattusch hätten nicht
gegen diesen und dessen Klubgenossen, sondern einzig gegen die Regierung,
die ja doch immer die Regierung der Majorität bleibt, demonstrieren wollen,
und sie fordert die Regierung auf, dieselbe möge aus der Melniker Resolution
die gehörige Lehre und die Konsequenzen ziehen. Zu dem von den „Narodni
Listy“ verkündeten tschechischen Programm, welches die tschechische Staats-
sprache für die böhmischen Länder anstrebt, bemerkt die „Politik“: „Es wäre
ja unzweifelhaft recht schön, wenn in unserem altehrwürdigen Königreiche
die tschechische Sprache die Staatssprache wäre, aber das setzt die Existenz
eines böhmischen Staates voraus. Glauben „Narodni Listy“ denselben durch
einige tapfere Journal-Artikel oder Parlamentsreden restaurieren zu konnen?"“
29. Juli. (Österreich: Abg. Herold über die Politik
der Jungtschechen.) In einer zu Kuttenberg gehaltenen Rede be-
spricht der jungtschechische Abg. Herold eingehend den Standpunkt
und das Vorgehen des jungtschechischen Reichsrats-Klubs.
Hätten die Jungtschechen die Überzeugung, daß die derzeitige Re-
gierung wirklich die Autonomie und die Gleichberechtigung durchführen wolle,
so würden auch sie die Regierung unterstützen. Aber die Regierung wolle