Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (August.) 269
zwischen dem Kardinal-Primas Simor und dem Kultusminister
Trefort abermals ein Konflikt ausgebrochen.
Im Auftrage des Ministers war der Graner Schulinspektor Rudolph
Bartal als Regierungs-Kommissär zu den Schlußprüfungen in der Tyrnauer
Lehrer-Präparandie erschienen. In der Vorkonferenz des Lehrkörpers wurde
der Regierungs-Kommissär durch die Mitteilung überrascht, daß er bei den
Prüfungen nichts zu suchen habe, denn das Institut sei kein staatliches, son-
dern ein erzbischöfliches, man könne daher seine amtliche Funktion nicht zu-
lassen. Der Kommissär erklärte, daß er im direkten Auftrage des Ministers
gekommen sei, er könne daher nicht gestatten, daß seine Entsendung ignoriert
werde. Trotz aller Proteste erklärte der Lehrkörper, daß er den Kommissär
bestenfalls nur als Gast ansehen könne. Beide Teile erbaten nun von ihren
Vorgesetzten Instruktionen, bis zu deren Eintreffen die Prüfungen suspen-
diert wurden. Der Kultusminister telegraphierte sehr kategorisch, der Re-
gierungs-Kommissär habe nicht nur das Recht, bei den Prüfungen anwesend
zu sein und auf dieselben Einfluß zu nehmen, sondern es sei seine Pflicht,
an die Examinanden Fragen zu richten, an der Feststellung der Klassifikation
teilzunehmen und die Zeugnisse zu unterfertigen. Die Leitung des Instituts
aber erhielt von der erzbischöflichen Behörde eine telegraphische Instruktion,
niemandem eine Einflußnahme auf die Prüfungen zu gestatten und die letz-
teren so zu leiten, als ob der Regierungs-Kommissär gar nicht anwesend
wäre. In diesem Dilemma hielt sich der Schulinspektor genau an die In—
struktion des Ministers und beteiligte sich sehr rege an den Prüfungen.
In Bezug auf dies Ereignis richtet der Kultus= und Unter-
richtsminister v. Trefort unterm 8. d. an den Kardinal Fürst-Primas
Simor eine Zuschrift, in welcher er sich darauf beruft,
daß die ungarische Regierung die Aufsicht über die römisch-katholi-
schen Lehrer= und Lehrerinnen-Präparandien durch die königlichen Schul-
inspektoren ausübt, welche bei den Prüfungen erscheinen, an die Zöglinge
Fragen richten, bei der Klassifikation ihr Votum geltend machen und die
Diplome unterfertigen. Ungeachtet dessen verweigerte der Direktor der Tyr-
nauer römisch-katholischen Lehrer-Präparandie dem zur Prüfung entsendeten
königlichen Schulinspektor das Recht zur Unterzeichnung des Prüfungesproto-
kolls und der Befähigungs-Zeugnisse. Der Minister ersucht daher den Fürst-
Primas, den genannten Direktor, den er auf Vorschlag des Fürst-Primas
in dieser Stellung bestätigte, wegen dieses Verhaltens strengstens zu tadeln
und gleichzeitig zu verfügen, daß die Diplome der Lehramts-Kandidaten,
welche die Befähigung erlangten, zur Unterfertigung dem exmittiert gewesenen
königlichen Schulinspektor schleunigst übersendet werden, und dem Direktor
aufzutragen, daß er in Hinkunft den königlichen Schulinspektor an der Aus-
übung seines Aufsichtsrechtes nicht zu verhindern versuche. Sollte der Direktor
auch in Hinkunft den Gehorsam verweigern, so werde der Minister ihn als
einen durch ihn ernannten Beamten bei Einstellung seiner Bezüge vom Amte
suspendieren und gegen denselben die Disziplinaruntersuchung einleiten.
In seiner Erwiderung auf das Schreiben des Kultusministers leugnet
der Graner Fürst-Primas, daß die Unterzeichnung der Lehrbefähigungs-Zeug-
nisse durch den königlichen Schulinspektor, wegen deren der Konflikt entstand,
durch irgend ein Gesetz oder auch nur durch eine ministerielle Verordnung
für die katholische Lehrer-Bildungsanstalt in Tyrnau vorgeschrieben sei, in-
dem er aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen den Beweis führt,
diese Unterzeichnung der Zeugnisse durch den Schulinspektor sei nur für die