Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (September 13.—16.) 273
die Obmänner und Bezirksausschüsse aller tschechischen Bezirke, die Bürger-
meister und Gemeinde-Ausschußmitglieder aller Städte, welche das Wahl-
recht für den Landtag und den Reichsrat in der Städtegruppe besitzen, und
die tschechischen Mitglieder der Handelskammern von Budweis, Pilsen und
Prag. Alle tschechischen Abgeordneten sollen in dieser Versammlung er-
scheinen, und auch die Abgeordneten des Großgrundbesitzes zu derselben ge-
laden werden. Als „das höchste ihrer Ideale“, um das auf diesem Kon-
greß zu streiten sein werde, gibt die „Politik“ an: einen böhmisch-mährisch-
schlesischen General-Landtag. Die ganze Änderung, welche sich daraus mit
Bezug auf die reichsgemeinsamen Angelegenheiten ergeben würde, wäre die,
daß fortan die Delegierten dieser drei Länder nicht mehr von den betreffenden
Abgeordneten im Reichsrate, sondern vom General-Landtage gewählt würden.
13. September. (Österreich: Kaiser Franz Joseph und
Bischof Stroßmayer.) Bei seiner Anwesenheit in Belovar aus
Anlaß der Manöver wendet sich der Kaiser, nachdem er die Vor-
stellung der Geistlichkeit entgegengenommen und huldvoll mehrere
Bischöfe angesprochen, an Stroßmayer mit den Worten:
„Ich habe mit der größten Überraschung von dem Telegramm Kennt-
nis genommen, welches Sie, Herr Bischof, anläßlich einer nichtkatholischen
Feier absandten. Ursprünglich habe ich es gar nicht für möglich gehalten,
daß einer meiner Unterthanen eine derartige Enunziation machen könnte.
Zu meinem tiefen Bedauern habe ich mich überzeugen müssen, daß es wirk-
lich der Fall gewesen. Der Herr Bischof scheinen nicht gewußt zu haben,
welchen gegen Staat und Kirche gerichteten Schritt Sie getan.“ Hierauf
wandte sich der Kaiser ab. Stroßmayer trat einige Schritte vor, verbeugte
sich und sprach laut: „Majestät, mein Gewissen ist rein.“
Die gesamte, nicht slawenfreundliche Presse Österreichs und Ungarns
drückt alsbald ihre Freude über die Kaiserliche Rüge aus. Die tschechische
Presse glaubt sich indes dagegen verwahren zu müssen, als ob die Tschechen,
Slowenen und Kroaten von dem Tadel, welchen der Kaiser Stroßmayer
gegenüber ausgesprochen hat, mitgetroffen würden. „Hat denn etwa Rieger,
Patlukar oder Klaic“, fragt so die „Politik“, „die betreffende Depesche ab-
geschickt: Hat der tschechische, slowenische oder dalmatinische Abgeordneten-
Klub eine panslawistische Demonstration ins Werk gesetzt? Was sollten wir
denn tun, um uns gegen die heutigen Verdächtigungen der faktiösen Presse
sicherzustellen: Hätten wir im Style der faktiösen Presse über Stroßmayer
herfallen sollen: Hätten wir ihn nach dem Grundsatze behandeln sollen,
daß zwei Zeilen genügen, um jemanden an den Galgen zu bringen? Stroß-
mayer erfreut sich aus verschiedenen Gründen bei uns lebhafter Sympathien,
und wir haben uns daher nicht berufen gefühlt, ihn wegen einer übrigens
vieldeutigen Depesche anzugreifen, und deshalb sollen wir vom Tadel des
Monarchen mitbetroffen sein!"
15. September. Fürst Johann Adolf Schwarzenberg +.
16. September. (Österreich: Alttschechischer Notabeln-
Kongreß.) Als Redner treten auf die Abg. Kriczala, Braf,
Tonner und Rieger.
Die Haupttätigkeit der Partei, erklärt letzterer, beruhe in ihren Kon-
ferenzen, die sie mit dem Kabinet habe. Wenn diese Tätigkeit auch wenig
an die Öffentlichkeit komme, so sei sie doch im höchsten Grade segensreich
für das tschechische Vaterland.
Europ. Geschichtskalender. XXIX. Bd. 18