278 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (Oktober 2. Hälfte.)
Dienstjubiläums des russischen Ministers des Äußeren sendet dem-
selben Graf Kalnoky ein in warmen Worten gehaltenes Glück-
wunsch-Telegramm.
2. Hälfte Oktober. (Böhmen: Deutsch--böhmischer Kom-
promißversuch.) Das Herrenhaus-Mitglied Fürst Edmund Clary
richtet an die Bohemia eine Zuschrift, in welcher er die Deutschen
Böhmens gemahnt, die unglückselige Abstinenz vom Landtage auf-
zugeben, die Existenz des Königreiches Böhmen als politischer In-
dividualität anzuerkennen und die Krönung des Kaisers zum König
von Böhmen als eine religiöse Weihe anzusehen. Bloße schöne
Reden und das Sichberauschen in allen Arten von Deutschtümelei
seien nicht die Mittel, den Deutschen in Böhmen zu helfen. Wenn
sie so fortführen, wie bisher, würden sie entweder absorbiert oder
aus Böhmen hinausgedrängt werden. — Der Versöhnungsversuch
wird indes von beiden Seiten zurückgewiesen. Die Jungtschechen
beantworten denselben mit der Erklärung, daß die Krönung als
bloße religiöse Weihe gar keinen Wert habe und daß sich das
tschechische Volk mit der gesetzlichen Kodifizierung der deutschen
Staatssprache niemals befreunden werde.
2. Hälfte Oktober. (Böhmen: Die Tschechen und der
Slawismus.) Die jungtsch. „Narodni Listy“ veröffentlichen den
Wortlaut einer tschechischen Adresse, welche verschiedene Städte, Ge-
meinden, Vereine und einzelne Persönlichkeiten an den Vorsitzenden
der Heiligen Synode in St. Petersburg gerichtet haben aus Anlaß
des Übertritts der tschechischen Kolonisten in Westrußland zur or-
thodoxen Kirche und der denselben seitens der Synode zugestandenen
Benützung der tschechischen Sprache als Sprache des Gottesdienstes.
In der Adresse wird der Übertritt der tschechischen Kolonisten als
wichtiger Schritt in Bezug auf die geistige Annäherung und auf
die geistige slawische Einheit bezeichnet. Weiter heißt es dann in
der Adresse:
„Aber auch für uns, auf heimatlichem Boden Verbliebenen, hat die
Verkündigung der tschechischen Sprache als Kirchensprache große Bedeutung,
weil die Heilige Synode mit dieser Verkündigung unserer Sprache eine kul-
turelle Bedeutung beigelegt hat, welche sie in der katholischen Kirche niemals
hatte und weil die Synode damit in unseren Herzen einen neuen Funken
angefacht und unsere Kräfte zu weiteren Kämpfen für unseren heimatlichen
Boden und für unsere Muttersprache angeregt hat."
21. Oktober. (Ungarn: Konversion der Staatsschuld.)
Zwischen der Regierung und der Finanzgruppe der Kreditanstalt
werden Verträge betreffs des großen Konversions-Geschäftes signiert.