Frankreich. (Juni 28.—Juli Anfang.) 337
im Spiele, ob die Dringlichkeit votiert wird oder nicht, die Revision wird
deshalb nicht früher stattfinden. Alle Republikaner sind einmütig in dem
Verlangen nach einer Verfassungs-Revision, aber sie werden die von der Re-
gierung zu wählende Stunde abwarten.
Die Blätter beurteilen strenge das Exposé, mit welchem Bou-
langer seinen Antrag motiviert, und halten die darin gegebenen
Ideen für konfus, widersprechend, ja zuweilen für lächerlich. Die
republikanischen Journale loben die Rede Floquets und erachten
den Tag für die republikanische Konzentration günstig. Das „Jour-
nal des Débats“ bemerkt indes, daß Kundgebungen von der Tri-
büne nicht genügen, um den Lauf der Ereignisse aufzuhalten.
28. Juni. (Wahlreform für die Budget-Kommission.)
In der Kammer kommt es zur Debatte über die Wahl der Budget-
Kommission, die in den letzten Jahren durch Listenskrutinium ge-
wählt war, ein Wahlmodus, für den der Finanzminister Peytral
sich erklärt. Auf einen Antrag Casimir Periers indes entschließt
sich die Kammer, zu dem früheren Systeme zurückzukehren und die
Kommission wieder durch die Bureaus, 3 Mitglieder in jedem Bu-
reau, wählen zu lassen.
30. Juni. (Budget-Kommission.) Die Bureaus der
Kammer wählen die Budget-Kommission. Dieselbe besteht aus 20
Opportunisten, 7 Radikalen, 4 Mitgliedern der äußersten Linken
und 2 unabhängigen Deputierten. Die Majorität steht zum Mini-
sterium in schroffer Opposition. Die Wahl war durch Koalition
der Opportunisten mit den Monarchisten zu stande gekommen.
Anfang Juli. (Manifest des Grafen von Paris.) Der
Graf von Paris sendet an 20,000 monarchistische Maires einen
offenen Brief, welcher in Ballen zur Verteilung an die Präsidenten
der royalistischen Lokalkomitees auf den Pariser Bahnhöfen lagerte.
Hier läßt die Regierung die Ballen mit Beschlag belegen. Einige
Exemplare werden auch bei dem Direktor der orleanistischen Presse
in Paris, Dufeuille, beschlagnahmt. Die konservativen Blätter pro-
testieren gegen die Beschlagnahme des betreffenden Briefes und er-
klären diese Maßnahme für eine ungesetzliche. Die republikanischen
Blätter bezeichnen den Brief als eine aufrührerische und lächerliche
Kundgebung, einzelne rügen die Beschlagnahme als eine ungeschickte
Maßregel. In dem Schreiben heißt es u. a.:
Sie haben die munizipalen Finanzen und Freiheiten gegen eine ve
schwenderische und tyrannische Verwaltung zu verteidigen. Die Partei,
gefügiges Werkzeug diese Verwaltung ist, hat die Republik kompron
und wird sie in ihrem Sturze mitreißen. Der Tag ist nahe, an d
Europ. Geschichtskalender. XXIX. Md. 22