338 Krankreich. (Juli 2.—12.)
uns alle werden vereinigen müssen, um die Regierung Frankreichs neu zu
schaffen und sie auf dauerhafte Grundlagen zu stellen. Die Republik hat
den Gemeinden die verheißenen Freiheiten nicht gegeben. Alle Mittel sind
den Republikanern gut, um sich die Mehrheit in den Konseils zu sichern.
Die Gemeinde ist in Unterdrücker und Bedrückte geteilt; dem Regime obli-
gatorischer Budgets unterworfen, ist sie in der Gebahrung ihres Vermögens
nicht mehr unabhängig. Die Eltern sind nicht mehr Herren der Erziehung
ihrer Kinder. Eine Gelegenheits-Regierung wird Ihnen vielleicht die Rück-
gabe der verlorenen Freiheiten versprechen. Hoffen Sie aber nicht, daß sie
dies thun könnte; ihre erste Sorge wird es sein, die noch gebliebenen Frei-
heiten zu vernichten. Die Monarchie allein kann sie zurückgeben; sie allein
kann Ordnung machen in der Gemeinde wie im Staate.
2. Juli. (Rouvier) wird mit 21 gegen 7 Stimmen zum
Vorsitzenden der Budget-Kommission gewählt. Er erklärt, die Kom-
mission habe keinen politischen Charakter; es obliege ihr, gute Finan-
zen herzustellen und Ersparungen vorzuschlagen. Sie müsse rasch ar-
beiten, damit das Budget bis zum Schlusse des Jahres votiert sei.
3. Juli. (Kammer.) Bei Gelegenheit einer Interpellation
über Wahlfälschungen in Carcassonne erzielt das Kabinet mit 326
gegen 172 Stimmen ein Vertrauensvotum.
12. Juli. (Kammer: Auflösungsantrag Boulangers.)
Die Deputiertenkammer berät einen Antrag der radikalen Linken auf
Unterdrückung aller geistlichen Ordensgesellschaften, der mit dem Hinweis auf
unmoralische Handlungen, deren sich die aus Ordensbrüdern bestehenden Leiter
der Ackerbauschule in Citeaux schuldig gemacht haben sollen, begründet ist.
Die Dringlichkeit des Antrages wird von der Kammer angenommen. Darauf
erhebt sich Boulanger plötzlich und bringt nochmals seinen schon einmal ver-
worfenen Antrag auf Auflösung der Kammer ein. Boulanger, der seine
Begründung wieder abliest, führt aus, daß eine Auflösung der Kammer aus
gebieterischen Gründen notwendig sei, es müßten noch vor der hundertjährigen
Feier der Ereignisse von 1789 neue allgemeine Wahlen stattfinden. Das
Land fordere neue Institutionen, die der Republik Schutz gegen die Angriffe
ihrer Gegner gewährten, die jetzige Kammer sei ohnmächtig und in Trümmer
und Staub zerfallen, das Land 4 erregt, weil man ihm einen Bürger, der
nichts wolle, wie das Wohl der Republik, stets als Feind darstelle, das
Land verlange einstimmig die Revision der Verfassung. Er zweifle nicht,
daß der Patriotismus der Deputierten sich auf der Höhe ihrer Pflicht be-
finden werde. Was ihn anbelange, so glaube er, seine Pflicht zu thun,
wenn er die Abstimmung über folgende Resolution beantrage: „Die Kammer,
überzeugt von der Notwendigkeit der Vornahme von Neuwahlen, fordert den
Präsidenten Carnot auf, von dem Rechte der Auflösung Gebrauch zu machen,
das ihm die Verfassung überträgt.“
Die Rede Boulangers wird von häufigen Protesten unterbrochen.
Ministerpräsident Floquet macht Boulanger den Vorwurf, daß er sich auf
die Rechte stütze und daß es ihm, der sich den Sitzungen der Kammer un-
ausgesetzt fern halte, gar nicht zukomme, über die Arbeiten der Kammern
in dieser arbeitsreichen Legislaturperiode ein Urteil zu fällen. Was sei es
denn, das Boulanger gethan habe? Boulanger ruft: Ich habe einen
Appell an das Land gerichtet. Floquet fährt fort: Das Land hat Ihnen
bei der Wahl im Departement der Charente geantwortet. Wir haben Sie,