Frankreich. (Juli 13.—14.) 339
der Sie sich in Sakristeien oder prinzlichen Vorzimmern herumgetrieben ha-
ben, unter uns nie zu erkennen vermocht. Wir werden unsere Feier der
Ereignisse von 1789 begehen, indem wir noch einmal die Suprematie der
Civilgewalt proklamieren, welche das allgemeine Stimmrecht repräsentiert.
Der Gemäßigtste unter uns hat der Republik mehr Dienste gethan, als Sie
ihr jemals Uebels thun können. Sie verlangen die Auflösung, es ist Ihre
Partei, in welcher die Auflösung existiert. (Beifall der Linken.) Boulanger
erwidert, die Rede Floquets sei nichts wie die Auslassung eines schlecht er-
zogenen Schulaufsehers, Floquet habe kein Wort gesagt über seine allgemeine
Politik, er habe nichts wie persönliche Angriffe gegen ihn gerichtet. Flo-
quet sei trotz alles Lärms in der Kammer zu 4 Malen von ihm bezichtigt
worden, daß er unverschämt gelogen habe. Es entsteht hierauf ein heftiger
Tumult. Der Kammerpräsident erklärt, daß er Boulanger, bevor er
die Zensur verhänge, das Wort erteile. Boulanger fragt, ob die Zenfur
über Floquet oder über ihn verhängt werden solle. Der Präsident erwi-
dert, Boulanger sei es, der zuerst die Kammer angegriffen habe, und dessen
letzte Worte ihn zur strengsten Anwendung der Bestimmungen der Geschäfts-
ordnung nötigten. Boulanger protestiert gegen eine Geschäftsleitung, welche
die Freiheit der Rednerbühne nicht respektiere, erklärt die Niederlegung seines
Deputiertenmandats und verläßt mit seinen Anhängern den Sitzungssaal.
Die Linke verlangt demungeachtet die Verhängung der Zenfur über Boulanger.
Der Präsident erwidert, Boulanger habe, indem er den Sitzungssaal ver-
lassen, sich selber das Urteil gesprochen. Nach heftigem Tumult auf der
Linken wird aber die Verhängung der Zensur gegen Boulanger beschlossen.
13. Juli. (Duell Boulanger-Floquet.) Die Vor-
gänge in der Kammer und die gegenseitigen scharfen Auseinander-
setzungen zwischen Boulanger und Floquet vom 12. Juli haben in
einem Duell ein blutiges Nachspiel. Im ersten Gange wird Bou-
langer am linken Schenkel, Floquet an der rechten Hand, beide
leicht, verwundet. Bei dem zweiten Gange erhält Floquet eine
ganz leichte Wunde an der linken Brust, Boulanger eine Wunde
am Halse, welche heftigen Bluterguß zur Folge hat.
14. Juli. (Boulanger) richtet an die Wähler im De-
partement Ardeche ein Rundschreiben, in welchem er sagt:
„Ich habe das Mandat einer halben Million Wähler auf Revision
der Verfassung und Auflösung der Kammer erfüllt. Die Kammer antwortete
mit der Zensur. Ich ersuche Sie, am 22. Juli die Forderung des Volkes
egenüber dem Widerstande der Kammer zu bekräftigen. Ich werde mich
gemühen, Sie zu besuchen und Ihnen zu sagen, daß für mich zu stimmen
nicht heiße, für eine Partei stimmen, sondern für die Unabhängigkeit im
Innern und nach Außen.
14. Juli. (Präsident Carnot.) Bei dem auf dem Mars-
felde stattgehabten Bankett am Nationalfest hält der Präsident
Carnot folgende Ansprache an die aus ganz Frankreich nach Paris
geladenen Maires:
„Sie find gekommen, um die nationale Einheit zu bekräftigen, ich
danke Ihnen im Namen der Regierung. Sie werden Ihren Mitbürgern
sagen, daß Sie Herzen gefunden haben, die entschlossen sind, die Einrichtungen
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